Bei meinem ersten Weltjugendtag (WJT) im Jahr 2002 in Toronto war ich gerade einmal 18 Jahre alt und mehr als bereit, mit ungefähr 800.000 Leuten eine Party zu feiern. Dass es ein katholisches Event war, war für mich ehrlicherweise erst einmal zweitrangig. Das hieß für mich eigentlich nur, dass vermutlich nicht ganz so viel geklaut wird im Vergleich zu anderen Veranstaltungen. Was ich dann eine Woche lang erleben durfte, war für mich absolut unbeschreiblich. Diese Gemeinschaft, die Gastfreundschaft und das Gefühl echter Verbundenheit, obwohl man sich nicht kennt – das habe ich bisher nur beim WJT erlebt. Wenn man zum ersten Mal dabei ist, erfährt man es am eindrücklichsten, aber dieses Gefühl kommt bei jedem WJT wieder auf.
Echte Gemeinschaft
Da war zum Beispiel die Frau in Toronto, die wir nach dem Weg fragten. Sie lud uns kurzerhand in ihr Auto und fuhr unseretwegen einen Umweg von einer Stunde. Oder die Mexikaner, die versuchten, uns Spanisch beizubringen. Mit ihnen starteten wir eine kleine McDonald’s-Party. Ich bin von diesem Weltjugendtag nach Hause gefahren und wusste: Ich habe 800.000 neue Freunde und um mit ihnen in Kontakt zu bleiben, gehe ich am Sonntag in die Kirche. Da war mir die eucharistische Gemeinschaft noch gar nicht klar. Trotzdem war mir bewusst: Wenn ich in die Messe gehe, bleibe ich auch weiterhin mit diesen Menschen in Verbindung. Dieser Gedanke trägt mich auch heute noch durch manche Unlust und manches Tief hindurch.
Weltjugendtag heißt Freunde finden – und halten – Social Media sei Dank!
Heute würde ich sagen, dass ich auf jedem WJT Freundschaften geschlossen habe, die alle bis zum heutigen Tag anhalten – Social Media sei Dank! Ein besonderes Erlebnis dabei hatte ich im Jahr 2016, im Anschluss an den Weltjugendtag in Krakau. Ich flog nach Singapur, um meine Cousine zu besuchen. Warum fange ich jetzt an, Urlaubsgeschichten zu erzählen? Ganz einfach: Etwa 16 Stunden meiner Flugreise lagen hinter mir, da stellte ich fest, dass meine Sitznachbarin wohl auch katholisch sein musste. Immerhin trug sie ein Kreuz und eine Wundertätige Medaille. Die nächsten Stunden war ich mit Schlafen beschäftigt und mit der Frage, wie ich sie wohl ansprechen könnte.
Als wir dann zum Landeanflug ansetzten, stellte ich fest, dass unter ihrem Sitz ein Weltjugendtags-Rucksack stand. Ein lauter Aufschrei meinerseits: „DU WARST AUCH IN KRAKAU?!” Und kaum durften wir unsere Handys wieder anschalten, waren wir auch schon Facebook-Freunde. Amanda hatte praktischerweise die nächsten Tage auch noch Urlaub. Auf dem Weg durch den Flughafen stellte sie mir noch Ben vor, der ebenfalls aus ihrer Pilgergruppe stammte. Dann traf ich auf meine völlig verdutzte Cousine, die gar nicht fassen konnte, dass ich schon singapurianische Freunde hatte, bevor ich das Land überhaupt richtig betreten hatte. Meine Antwort: Der Weltjugendtag macht’s möglich. Die nächsten Tage hatte ich neben meiner Cousine zwei fantastische Begleiter, die mir ungefähr alle Kirchen Singapurs zeigten und mich in die Messe begleiteten.
Urlaubsfreundschaften für die Followerzahlen?
Der eine oder andere mag jetzt sagen: „Ja schön, so Urlaubsfreundschaften, die man dann auf Social Media behält. Ist ja eigentlich auch nur etwas, um Followerzahlen irgendwie in die Höhe zu treiben.” Das mag ein Nebeneffekt sein, trifft aber auf meine Weltjugendtagsfreundschaften nicht zu. Ben aus Singapur habe ich mittlerweile wiederholt in London getroffen. Aber das beste Wiedersehen überhaupt: Drei Jahre später in Panama City, mitten in der Nacht, standen wir uns plötzlich wieder gegenüber – vollkommen unverhofft. Darauf sollte man bei einem Weltjugendtag immer vorbereitet sein.
Schon jetzt bin ich unglaublich gespannt, welche Freunde ich unverhofft mitten in der Nacht in Lissabon treffen werde und welche neuen Freunde 2023 dazukommen werden. Weltjugendtag heißt Freunde finden!