Vor Ort · Studientag Evangelisierung
Nicht nur Taten, sondern auch Gebete gestalten Geschichte
von Veronika Striegel · 14.03.2022
Eröffnet wurde der Studientag von Pfarrer Reinfried Rimmel, neuer Leiter der Abteilung Evangelisierung (früher: Institut für Neuevangelisierung), und Domvikar Andreas Miesen, Leiter der übergeordneten Hauptabteilung „Evangelisierung – Jugend – Berufung“. Evangelisierung ist „vielleicht doch manchmal spannender als ein Krimi“ spielte Andreas Miesen auf den Titel des Tages an. Dabei komme es darauf an, dass wir selbst mit Jesus und dem Wort Gottes vertraut sind und uns von ihm durchdringen lassen – dann könnten wir dieses Wort auch in unserem Leben bezeugen und verkünden.
Kirchenkrise als Gebetskrise
Nach ruhiger Lobpreismusik betonte der Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier in einem Impulsreferat die Bedeutung des Gebets für uns Christen. Dieses könne „gar nicht hoch genug geschätzt werden“. So zeigte sich Bertram Meier, selbst ein eifriger Beter, davon überzeugt, „dass die derzeitige Kirchenkrise auch ein Zeichen der wachsenden Gebetskrise ist.“ Auch beim Synodalen Weg sei in Bezug auf das Gebet noch „Luft nach oben.“
Das erste und das letzte Wort hat Gott, so der Bischof. Es sei eine Gefahr in den heutigen Erneuerungsdebatten der Kirche, dass wir selbst das Wort haben wollten: „Weh uns, wenn er (Gott) nur das vorletzte (Wort) hätte. Und wir dann noch mal notariell sagen würden, welches seiner Worte wir annehmen und welches nicht.“ Schließlich müssten bei allen Christen Wort und Tat Hand in Hand gehen – und für beides brauche es das Fundament des Gebets.
Fürbitte tun – auch für die Henker
Anschließend sprach die Wiener Theologieprofessorin Dr. Marianne Schlosser als Hauptreferentin unter dem Titel „Über Gott zu den Menschen sprechen, und zu Gott über die Menschen“ von der inneren Verbindung zwischen Evangelisierung und Gebet.
Die gebürtige Donauwörtherin stellte fest, dass Jesus in seiner einzigartigen Beziehung zu seinem Vater das Vorbild für unser Beten sei und er uns das Gebet lehre. Jesus hörte als Mensch auf den Willen des Vaters, den er im Gebet suchte. Er wusste, „dass der Vater ihn immer erhört“, so Schlosser.
Jesus betete nicht nur in bestimmten Situation und so, wie es der damaligen religiösen Praxis entsprach, sondern sein Gebet war eine andauernde Zwiesprache mit Gott. Er betete beispielsweise die Nacht hindurch, er pries den Vater voll Freude und Jubel, er betete „als Fürbitter für seine Jünger, … aber auch für seine Henker“, er segnete, er rief um Hilfe in größter Not und machte schließlich sein Testament im Gebet (Abschiedsreden im Johannesevangelium, Kapitel 14ff.).
So sollen auch wir, wie es Jesus wünscht, ohne Unterlass beten. Schlosser bekräftige, dass durch Christus ein neues Gottesverhältnis möglich geworden sei. „Wir beten also in der Verbindung mit Christus, indem wir in seine einmalige Sohnschaft eintreten. Und daher ist das Gebet der Gläubigen dem Vater so willkommen wie das Gebet seines erst- und eingeborenen Sohnes.“
Durch Gebet an Gottes Heilsplan mitwirken
Die Professorin ging anschließend näher auf das Vaterunser als Modell des christlichen Betens sowie die verschiedenen Formen des Gebets wie Fürbitte oder Bittgebet ein. Dabei sei maßgeblich, dass das Gebet auch entsprechende Konsequenzen im christlichen Leben habe. Es gelte jedoch zu beachten, dass man „weder das Gebet durch eigene Aktivität überflüssig machen“, noch „das eigene Tun durch das Gebet einfach ersetzen“ könne.
Wenn wir im Vaterunser darum bitten, dass Gottes Wille geschehe, so Schlosser, bitten wir „um Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes“, also um notwendige Erkenntnis. Gebet sei damit „Mitwirken an Gottes Heilsplan“ – und Gott wünsche sich unser Mitwirken, gerade auch durch das Bittgebet. So würden nicht nur die „handgreiflichen Taten“ eines Menschen die Geschichte gestalten, sondern auch Gebete.
Praxis-Tipp: Wie „ohne Unterlass“ beten?
Zwischenzeitlich waren Fragen aus dem Online-Publikum eingetroffen, zum Beispiel, wie man denn ohne Unterlass beten könne. Hier gab Marianne Schlosser praktische Tipps. Zunächst gebe es eine Stellvertretung, da ja rund um die Uhr um den ganzen Erdball gebetet werde. Man selbst könne beispielsweise während der Arbeit ein einfaches Gebet, ein Ein-Wort-Gebet wie „Jesus“, wiederholen.
Dabei sei nicht die Arbeit selbst schon Gebet. Es brauche Zeiten, in denen man die Beziehung zu Jesus wirklich umsetze, also nichts anderes mache als zu beten. Darüber hinaus solle man auch „Zeitstaub“ für das Gebet nutzen, so Schlosser, also zum Beispiel beim Warten in einer Menschenschlange oder bei der Fahrt mit der S-Bahn. Und dann könnten wir vor allem, was wir tun, das Kreuzzeichen machen – was auch innerlich möglich sei.
Wenn aus dem Gebet Taten folgen
Im zweiten Teil ihres Vortrags ging Marianne Schlosser auf die Verbindung von Actio (Handlung) und Contemplatio (Betrachtung/Gebet) ein. Anhand von konkreten Lebensbeispielen aus Bibel und Kirchengeschichte machte Schlosser deutlich, dass sich Actio und Contemplatio gegenseitig bedingen.
Wenn wir uns zum Beispiel bemühten, die Gebote einzuhalten, werde unser Gebet leichter und es werde bei Gott wohlgefällig angenommen. In der umgekehrten Bewegung entspringe aus dem Gebet „die Quelle für ein bestimmtes Handeln“ – wie die Verkündigung und auch die Ausdauer im Apostolat, also bei der Evangelisierung.
Zwei Glaubenszeugnisse ergänzten das Vorgetragene um zwei aktuelle Praxisbeispiele. Margarita Beßler aus der Pfarrei Mariä Himmelfahrt Thannhausen sprach über die Gründung des Vereins „Liebe sei Tat“, der in Not geratenen Menschen hilft. Ursula Kalb von der christlichen Gemeinschaft Sant’Egidio in München berichtete, dass das Gebet das „Geheimnis aller Aktivität“ und das wichtigste Werk der Gemeinschaft sei.
Workshops zeigen Tatorte der Evangelisierung
Im Anschluss an die Vorträge konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus neun verschiedenen Workshops wie „Gebet in der digitalen Welt“ oder „Die Umarmung Hilfsbedürftiger“ auswählen und „Tatorte“ der Evangelisierung aufsuchen. Eindrücklich schilderten Luiz Fernando Braz und Josefa Woditsch von der Fazenda da Esperanca in Bickenried wie das Wort Gottes unser Leben verändert, wenn wir anfangen, es in die Tat umzusetzen.
Zum Abschluss des Studientags fand eine feierliche Heilige Messe mit Bischof Bertram in der Kirche der Congregatio Jesu in Augsburg statt.
Du hast den Studientag verpasst? Du kannst ihn dir auf dem YouTube-Kanal der Abteilung Evangelisierung ansehen.
Für alle, die an weiteren Inhalten von Prof. Marianne Schlosser interessiert sind: Auf Credo ist 2017 der Text An Maria kann man sehen, welches Menschenbild Gott hat erschienen.