Ich habe einmal eine echt interessante Rede gehört, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Der Redner forderte sein Publikum mit folgender Frage heraus: „Stell dir vor, eine neutrale Person könnte sich deinen YouTube Verlauf ansehen, die Filme und Serien, die du auf Netflix gestreamt hast, die Apps die du benutzt. Glaubst du die Person die das tun würde könnte darauf kommen, dass du Katholik bist?“.
Ich finde, da ist was dran. Denn für mich gehört zum Katholisch sein mehr als nur die Taufe. Ausschlaggebend ist für mich die Tatsache, ob ich Gott ganz aus meinem Alltag verdränge oder versuche, meinen Tag bewusst auf Gott auszurichten. Für viele mag das nach viel Arbeit klingen. Man hört oft, dass es doch unmöglich sei, neben der Arbeit, dem Studium, den Kindern und den anderen Alltagsaufgaben und Verpflichtungen auch noch Zeit für Gott zu finden. Früher habe ich auch so gedacht und diese Floskeln oft als Ausrede benutzt, um meine eigene Faulheit und Trägheit zu verschleiern.
Gott in den alltäglichsten Situationen hören
Auch wenn man es nicht schafft, jeden Tag zur Messe zu gehen oder der Alltag es nicht zulässt, täglich den Rosenkranz zu beten – das ist gar nicht so schlimm. Mir hat es geholfen, feste Tage in der Woche auszuwählen und zu sagen: „Ab jetzt bete ich jeden Freitag den schmerzhaften Rosenkranz.“ oder „Ab jetzt gehe ich jeden Mittwoch zur Messe“. Das funktioniert tatsächlich und die Gottesbeziehung wächst, weil sie zu einem festen Bestandteil deines Lebens wird.
Inzwischen ist es bei mir so, dass ich jeden Tag mit einem kurzen Morgengebet beginne und den Tag ebenso mit einem Abendgebet beende. Außerdem habe ich immer einen Rosenkranz dabei, sodass ich „leere Zeit“, zum Beispiel wenn ich auf dem Weg in die Stadt bin, spontan für’s Gebet nutzen kann. Das ist für mich aber noch nicht alles. Zu meiner katholischen Identität gehört es auch, dass ich versuche, Gott zu hören und seinen Willen in jeder noch so alltäglichen Situation umzusetzen. Konkret bedeutet das für mich, meine Aufgaben im Studium und im Beruf gewissenhaft zu erledigen, immer ein offenes Ohr für meine Mitmenschen zu haben, mich für Menschen in Not einzusetzen und die Werte der Kirche zu verteidigen (auch wenn ich dafür ab und zu schief angeschaut werde). Dazu stelle ich mir oft vor, wie die Jünger Jesu oder Heilige den Menschen heute begegnen würden. Vor allem vor schwierigen Lebensentscheidungen lasse ich mir solche Gedankenspiele durch den Kopf gehen. Schon öfter habe ich dadurch erkannt, welches der richtige Weg für mich ist (auch wenn mir die Antwort nicht immer gefallen hat).
Denn genau darum geht es doch auch beim Zeugnisgeben. Zum eigenen Glauben zu stehen, ihn so gut wie möglich vorzuleben und mit seinen Worten und Taten das Evangelium zu verkünden – auch wenn das manchmal heißt, als „Schaf unter Wölfen“ zu sein und es nicht immer ganz leicht ist.
Katholische Festtage und Traditionen helfen, den Glauben besser zu verstehen
Und natürlich gehören zu unserer katholischen Identität auch die vielen Festtage und Traditionen, die mein Leben als Katholik bereichern und einfach dazu gehören. Ich denke da an Maiandachten, Fronleichnamsprozessionen, Sternsingen, Feiertage und die Fastenzeit, Weihnachtsplätzchen, Palmbrezeln und bunt bemalte Eier, katholische Jugendfreizeiten, Weltjugendtage, Pilgerreisen, Kommunion, Priester, Ordensleute, Heilige…
All diese Dinge stützen sich auf unsere über 2000 Jahre alte, kirchliche Tradition. Und auch wenn sie auf den ersten Blick vielleicht oberflächlich und entbehrlich wirken, glaube ich, dass sie uns helfen, unseren Glauben besser zu verstehen, ihn in unserem Leben umzusetzen und dadurch in Gemeinschaft mit Gott und unseren Mitmenschen zu wachsen, sodass wir als guter Baum gute Früchte hervorbringen.