

Im Winterhalbjahr geht es in Alex Barths SIP Scootershop eher ruhig zu. Einige Motorrollerbegeisterte in Winterpause trinken gemütlich einen Espresso im hauseigenen Café, fachsimpeln die neuesten Tuning-Trends oder stöbern im Laden, wo man vom Helm bis zur Spielzeugvespa für Kinder alles findet, was das Rollerherz erfreut. Vieles erinnert an Italien. Es herrscht Wohlfühlatmosphäre. Die Freude über ein ganz besonderes Lebensgefühl, von der der Gründer und Unternehmer hier schwärmt, überträgt sich auch auf nicht-rolleraffine Credo-Redakteure.
20 Quadratmeter für Jesus
In dem stylischen Laden direkt über der Kasse entdeckt das geschulte katholische Auge eine Jesus Ikone. Auch im angrenzenden Lager, wo sich etwa 30.000 Ersatzteile für Vespa und Co in den Regalen türmen, hängt ein kleines Kreuz an der Wand. Keines dieser Symbole drängt sich den Kunden und Mitarbeitern auf, trotzdem sind sie ein Statement. Denn Alex ist nicht nur Unternehmer, sondern auch gläubiger Christ. Neben seiner Heimatgemeinde engagiert sich der dreifache Familienvater vor allem in seiner geistlichen Heimat, der Jugend2000. Dass Jesus auch in seiner Firma sichtbar ist, war für ihm nie ein Diskussionsthema.
Genau wie die Existenz eines kleinen Gebetsraums, der nur durch einen weißen Vorhang von den Büroräumen abgetrennt ist. „Da heißt es zwar manchmal, der Chef und seine Macken. Aber wenn sich einer damit auseinandersetzt und kritisch nachfragt, dann sag ich ‚Hey, warum kann ich von 4000 Quadratmetern nicht 20 Jesus widmen?‘“, erklärt Alex selbstbewusst. Die Reaktion sei dann meistens sogar eine wertschätzende. „Viele kennen das nicht, dass jemand so selbstbewusst im Glauben steht.“

Durch dieses öffentliche Glaubenszeugnis mache er sich aber auch angreifbar, erzählt Alex auf dem Rundgang durch das Firmengebäude. Als Chef und als Mensch. Für ihn etwas, das dazugehört auf dem Weg zur Heiligkeit. „Das ist schon auch eine tägliche Challenge, weil ich natürlich daran gemessen werde und mir auch selbst einen gewissen Maßstab setze.“ Das fange bei den zehn Geboten, wie beispielsweise dem Sonntagsgebot an, was ihn noch recht einfach umzusetzen sei.
Geld und Erfolg nicht zum Götzen machen
Schwieriger werde es schon, wenn es um seine Verantwortungsposition geht. „Wo hört Nächstenliebe gegenüber dem einzelnen Mitarbeiter auf, wo beginnt Gerechtigkeit gegenüber dem Team, wenn die Frage im Raum steht, einen Mitarbeiter zu entlassen“, erklärt Barth und zeigt dabei auf den Bildschirm seines Arbeitsrechners. „Hier habe ich immer meine aktuell wichtigsten Gebete kleben, die ich in Situationen bete, wenn ich selbst keinen Plan habe. Wir sind ja auf dem Weg der Heiligkeit und noch nicht heilig. Es geht nicht ohne Gottes Zutun. Deshalb nehme ich ihn bewusst und vertrauensvoll in solche Entscheidungen mit hinein.“
Wenn Alex an seinem Schreibtisch sitzt, gibt er Vollgas. Schließlich ist es seine Verantwortung, dass die Firma erfolgreich ist, woran wiederum die Gehälter seiner mehr 100 Mitarbeiter hängt. „Das ist mein Gut, das ich zu verhalten habe und wofür ich irgendwann mal Rechenschaft ablegen muss.“, ist sich der Unternehmer bewusst. „Dazu gehört aber auch, dass der Erfolg nicht zu meinem Götzen wird, dass ich nicht zum Getriebenen meines Geschäfts werde.“ Wie ein optischer Trigger wirkt da das von hinten beleuchtete Kreuz im Gebetsraum, auf das er direkt von seinem Schreibtischstuhl blickt. Was eigentlich ein Zufall bei der Büroeinrichtung war, hilft ihm täglich dabei, seine Prioritäten richtig zu ordnen. „Das Kreuz in der Kapelle ist das geistliche Zentrum hier in der Firma, Gott der Mittelpunkt von dem alles ausgeht. So vergesse ich nie, wer mir das geschenkt hat und wer es mir auch irgendwann wieder nehmen wird.“
Gebetskreise in der Firmenkapelle
Auch architektonisch bildet die „Kapelle“, wie Alex den Gebetsraum nennt, das Zentrum des Firmengebäudes. In Kombination mit dem Serverraum, der direkt nebenan liegt, bezeichnet sie Alex gerne als Powerbank des Unternehmens. Denn in dem kleinen Raum, in den von oben das Sonnenlicht fällt, wird regelmäßig gebetet. Einmal die Woche trifft sich der Chef mit einer Handvoll Mitarbeiter zum Morgengebetskreis vor dem Kreuz. „Das ist unsere Gemeinde hier, mit der wir vor den Herrn treten im Gebet, in unseren Anliegen.“ Die linke Seitenwand des Raumes ist reserviert für Fürbitten. Hier kleben viele bunte Post-its, auf die Mitarbeiter ihre Gebetsanliegen geschrieben haben. Jede Woche werden sie ins Fürbittgebet miteingeschlossen.
Für Alex ist das auch eine gute Gelegenheit, Einblick in den Alltag seiner Angestellten zu bekommen. Dabei sieht er sich weniger in der Rolle des Seelsorger, sondern nutzt seine Position als Vorgesetzter um konkret Möglichkeiten zur Problembewältigung zu schaffen. „Als Chef kann ich manchmal ganz einfach was drehen, indem ich Arbeitszeitmodelle umstelle, einen kleinen Vorschuss oder unbezahlten Urlaub gebe.“

Auch wenn die Kapelle nicht täglich von allen Mitarbeitern frequentiert wird, ist Alex dankbar für die Früchte, die er zu erkennen glaubt: „Ich habe einfach das Gefühl, dass wir alle mit der Firma gesegnet sind. Es läuft gut, es gab noch nie große Unfälle in der Firma und trotz aller Schwierigkeiten und Herausforderungen teile ich mir die Geschäftsleitung seit 30 Jahren mit demselben Kollegen und Freund.“ Die Leidenschaft für den Glauben teilen sich die beiden zwar nicht, dafür aber die Leidenschaft für Vespas und motorisierte Zweiräder. Vor allem jetzt im Frühjahr, wenn die Rollersaison wieder startet.