Vor Ort · Bei der Alpha Leadership Conference

„Als Katholikin fühlte ich mich besonders willkommen“

67 Nationen, 28 Denominationen, 5000 Christen: Die Alpha Leadership Konferenz ist eine internationale Konferenz mit Gästen aus verschiedenen christlichen Kirchen. Sandra-Maria Lernbecher von der Abteilung Evangelisierung war in London mit dabei und hat mit uns ihre Eindrücke geteilt.

von Simone Zwikirsch · 28.05.2024

Sandra-Maria Lernbecher und zwei junge Frauen vom Welcome-Team mit Willkommensschildern in der Hand.
Herzlicher Empfang: Sandra-Maria Lernbecher (mitte) mit einem Welcome Team. (Foto: privat)

Credo: Warum bist du zur Leadership Conference nach London gefahren?

Sandra Lernbecher: Mein Interesse geht in zwei Richtungen: Einmal legt die Konferenz ja den Fokus auf Leiterschaft. Und dieses Thema verdient definitiv Reflexion. Leitung betrifft ja nicht nur Bischof, Priester, (Haupt-)Abteilungsleiter, sondern beginnt schon im Kleinen. Sobald ich für einen Bereich und damit meist auch für andere Verantwortung trage und gestalterische Freiheit in Anspruch nehme, ist das Leitung.

Zweitens ist für mich die Konferenz auch verknüpft mit dem Thema Evangelisation: Gute Leitung entwickeln, um die frohe Botschaft zu verbreiten. Für mich war das eine schöne Gelegenheit, um internationale Referenten unterschiedlicher Profession zu hören und mich zu vernetzen – international katholisch sowie deutschlandweit ökumenisch.

Credo: Wie war’s? Welche Eindrücke wirken noch nach?

Sandra: Beeindruckend war auf jeden Fall die Location: die Royal Albert Hall. Dort mit über 5000 Teilnehmenden aus 28 Denominationen und 67 Nationen Gott zu loben und zu preisen – das darf man da einfach mal dankbar zur Kenntnis nehmen.

Bemerkenswert ist auf jeden Fall auch die Willkommenskultur: ich kam am Sonntagabend etwas angeschlagen und gehetzt in einer der Kirchen an. Überall gab es Obstteller, Kaffee und Tee – genau das, was ich brauchte. Während der Konferenztage standen vor der Royal Albert Hall und an gefühlt allen Straßenecken im Umkreis Leute vom Team, um den Weg zu weisen, Fragen zu beantworten oder einfach nur freundlich zu grüßen.

Und ich habe mich speziell als Katholikin willkommen gefühlt. Einer der ersten Sprecher der Konferenz war Papst Franziskus mit einem Grußwort per Videokonferenz. Speziell für katholische Teilnehmer wurde sogar täglich eine heilige Messe angeboten, die wir mit Erlaubnis der Bischöfe beider Konfessionen in einer anglikanischen Kirche feiern durften.

Credo: 67 Nationen, 28 Denominationen und du mitten drin. Wie hast du das Thema „Einheit“ ganz praktisch wahrgenommen?

Sandra: So eine Konferenz zeigt: auch wenn wir in vielen Punkten divergieren – wir haben definitiv gemeinsame Themen, bei denen wir uns gegenseitig bereichern können.

Die Vorträge waren voller spannender Themen, die für mich am Puls der Zeit sind und für uns als Christen zentrale Bedeutung haben: Leiterschaft und Schwäche, Leiterschaft und Ehrlichkeit, Generation Z, die zentrale Bedeutung des Gebets für kirchlich wirksames Handeln, sowie Offenheit und Gehorsam gegenüber Gottes Willen.

Die illuminierte, voll besetzte Royal Albert Hall in London als Veranstaltungsort der Alpha Leadership Confernce.
Veranstaltungsort der Leadership Conference war die Royal Albert Hall in London. (Foto: Johannes Prestele)

Credo: Bei allem Einheitlichen – gab’s auch Situationen oder Themen, die für dich schwierig oder herausfordernd waren?

Sandra: Schon am Sonntagabend gab es auf dem katholischen Treffen Tipps für Erstteilnehmende. Da wurde eigens die Lautstärke des Lobpreises erwähnt. Lautstark und teils sehr emotional erlebte ich aber auch viele der Rednerinnen und Redner auf der Bühne.

Persönlich schwierig fand ich den Fokus, den viele andere Christen auf „Erweckungen“ legen. Geschieht das auf der Bühne, kann man noch gut in Distanz gehen. Herausfordernd wird es, wenn ein Gegenüber im Gespräch so selbstverständlich von bestimmten Erweckungsereignissen spricht, dass der Eindruck entsteht, es handle sich dabei um das entscheidende Heilskriterium, an dem ich selbst als Katholikin völlig vorbeilebe. Aus dieser Erfahrung nehme ich mit, selbst sensibler zu sein bezüglich katholischer Selbstverständlichkeiten, wenn ich mit anderen Christen oder Nicht-Christen im Gespräch bin.

Credo: Veranstalter des ganzen war ja Alpha. Auch Alphakurse sind jetzt nix speziell katholisches. Warum tun sie uns Katholiken trotzdem gut und was können wir von den Erfindern – Alpha kommt ja aus der Anglikanischen Kirche – lernen?

Sandra: Wir können auf jeden Fall von deren Willkommenskultur lernen. Und damit meine ich nicht nur Begrüßungsteams am Eingang und schöne Servietten. Bei Alpha geht es darum, Räume der Annahme zu schaffen. Es geht um eine Gesprächskultur, bei der Menschen einen Raum erhalten, in denen sie ihre Fragen, Ängste, Zweifel und Hoffnungen frei äußern können. Dadurch können sie in Berührung kommen mit Glaube und Gott – nicht, weil wir sie in Grund und Boden reden, sondern weil wir zuhören, sie annehmen und für sie beten.

In einer klassischen katholischen Pfarrei sind diese Räume oft schwer zu finden. Bei meinem ersten Alphakurs war eine etwas ältere Frau mit mir am Tisch. Sie besuchte ihr Leben lang den Sonntagsgottesdienst und noch nie vor Alpha hat sie sich mit jemanden über den persönlichen Glauben ausgetauscht. Alpha darf im katholischen Kontext nicht als Konkurrenz zum Sonntagsgottesdienst gedacht werden, sondern als Hinführung zum persönlichen Glauben und als bereichernde Möglichkeit des Austausches. Diese Vielschichtigkeit ist der Grund, dass Alpha grundsätzlich für Neulinge genauso spannend und hilfreich sein kann wie für „Alteingesessene“.

Credo: Viele Dank, liebe Sandra, für das Gespräch!


Sandra Lernbecher ist Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Ulrich und Afra / St. Anton in Augsburg sowie Referentin bei der Abteilung Evangelisierung.