Thema · Glaubenskommunikation
Real Talk: Wie heute von Gott sprechen?
von Sebastian Walter · 15.12.2021
Der Apostel Paulus hatte es vergleichsweise leicht. Als er auf seiner Missionsreise nach Athen kommt und den dortigen Philosophen von Jesus Christus erzählen soll, kann er an die religiösen Voraussetzungen seiner Gesprächspartner anknüpfen: „Als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift ‚Dem unbekannten Gott‘. Den ihr verehrt, ohne ihn zu kennen, den verkünde ich euch.“ (Apg 17)
Zack, und schon war Paulus bei seinem Thema. Ein kommunikativ kluger Schachzug. Im Deutschland des Jahres 2021 scheint es inzwischen schwerer zu sein, solche Anknüpfungspunkte für ein Gespräch über Gott und Jesus Christus zu finden. Was tun?
Wege aus der religiösen Sprachkrise?
Es ist schon frustrierend – in der Bibel steht „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15) … und dann fragt keiner. Studien untermauern das Gefühl, dass Glaube und Religion für viele, gerade für junge Menschen, schlichtweg irrelevant sind. Es ist nicht so, dass sie etwas dagegen hätten, die Frage nach Gott spielt einfach keine Rolle in ihrer Wirklichkeit.
Im Rahmen der jüngsten Umfrage in Österreich bezeichnen sich gerade mal 14 Prozent der getauften (!) Jugendlichen als „religiöse Menschen“ (Jugendstudie „Lebenswelten 2020“). Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in Kirchenkreisen die Rufe nach einer neuen Glaubenssprache, nach neuen Formen der religiösen Vermittlung lauter werden.
Das prominenteste Beispiel für die Diagnose zunehmender religiöser Sprachlosigkeit erschien 2016 mit dem Bestseller von Erik Flügge „Der Jargon der Betroffenheit: Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt.“ Doch so provokant der Tonfall und so treffend Flügges Diagnosen auch sind, echte Antworten findet auch er nicht. Außer vielleicht dem Rat, so über Gott zu reden, als säße man mit Freunden in der Kneipe. Vielleicht ein Anfang?
Ein weiterer Lösungsweg, der oft bei Vorträgen und Kongressen zum Thema Glaubenskommunikation genannt wird, lautet, man solle reden wie Jesus. Also in lebensnahen Gleichnissen, Bildern und Geschichten. Das klingt zunächst einleuchtend und attraktiv, weil es den Anschein erweckt, man käme so um Problemwörter wie Erlösung, Vergebung und Heil herum. Aber was genau wäre dann der Inhalt eines solchen Gesprächs? Doch nicht etwa Sauerteig? Was ist das eigentlich?
Die überzeugende Schönheit der Wahrheit
Noch mal von vorn. Eigentlich bedeutet, über Gott nicht mehr sprechen zu können, nicht mehr über den Sinn des Daseins sprechen zu können. Sinn jedoch ist keine Information, sondern hat mit Erfahrung und Beziehung zu tun. Von dieser Warte aus erscheint die bisweilen verzweifelte Suche nach neuer religiöser Kommunikation vielleicht sogar als Themaverfehlung.
Meine These ist, dass es eigentlich egal ist, wie man von Gott, Jesus Christus, dem Heiligen Geist oder seinem persönlichen Glauben spricht. Als Paulus davon berichtet, dass er von Christus gesandt wurde, das Evangelium zu verkünden, fügt er hinzu: „aber nicht mit gewandten und klugen Worten“ (1 Kor 1,17). Die Suche nach der perfekten Formulierung ist müßig, wenn es um etwas geht, das jenseits der Sprache liegt.
Die Wahrheit, die in einem Glaubenszeugnis und jeder persönlichen Rede von Gott zum Vorschein kommt, hat ihre eigene Schönheit. Was den Gesprächspartner dann überzeugt, ist nicht eine sprachliche Formulierung, sondern die Begegnung mit einem Menschen, der glaubt.
Zwei Beispiele
Ich hatte mit 19 meinen Glauben verloren. Bei einer zufälligen Gelegenheit traf ich eine sehr alte Nonne. Ich wusste, dass sie als junges Mädchen in einen strengen Klausurorden eingetreten war und Zeit ihres Lebens kaum Kontakt mit der Außenwelt gehabt hatte. Was mich erstaunte war, dass ich diese alte Frau unglaublich schön fand. Da dachte ich mir: Wenn diese Nonne ihr Leben lang hinter Klostermauern verbracht hat und so glücklich aussieht, muss es irgendetwas zwischen Himmel und Erde geben, von dem ich keine Ahnung habe. Die Nonne hatte mir wortlos, durch Begegnung und Erfahrung, mehr von Gott gesagt, als es jedes Buch getan hätte.
Zweites Beispiel: Kurz bevor meine Schwester mit 39 Jahren an Krebs starb, sagte sie ihren Kindern: „Gott macht keine Fehler“. Diesen Satz haben wir dann auf ihre Sterbekarte gedruckt. Viele Menschen berichten mit heute noch, wie viel Mut und Hoffnung ihnen dieser Satz gibt. Niemand hat sich jemals kommunikationstheoretische Gedanken über die Formulierung dieses Satzes gemacht. Es war nie nötig. Die Schönheit der Wahrheit, die durch diese Zeilen durchscheint, spricht für sich selbst.