„Ich arbeite bei der Diözese Augsburg in der Abteilung Berufe der Kirche als Referent für Personalgewinnung und Werbung sowie als Jugendseelsorger des Dekanats.
Homeoffice und ich habe Hunger.
Ich glaube, dieser simple Satz umschreibt meinen derzeitigen Alltag recht gut. Es ist halb zehn Uhr am Vormittag, die Sonne scheint, ich sitze an meinem provisorisch eingerichteten Arbeitsplatz, höre meine vier Kinder im Hintergrund rufen, schlürfe den vierten Kaffee (ja – ich liebe Kaffee). Und ich habe Hunger. Also mache ich mich auf zum Kühlschrank, um mir eine Kleinigkeit zu holen. Auf dem Weg dorthin versuche ich, einen Konflikt der Kinder zu moderieren – was zugegebenermaßen nur manchmal gelingt. Ich sehe aus dem Augenwinkel die Arbeiten, die in unserem Haus noch zu erledigen sind, und denke mir, dass ich dringend Urlaub brauche.
Plötzlich kommt mein Sohn um die Ecke und fragt mich, warum Gott das Coronavirus zulässt und warum man nicht mehr in die Kirche gehen darf. Puh, es ist Viertel vor zehn und wir führen ein Vater-Sohn-Gespräch über tiefe theologische Fragen. Nach einiger Zeit beschließen wir das Gespräch mit einem gemeinsamen Gebet und ich merke, dass sich etwas an meinem Hunger verändert hat. Seltsam.
Woher kommt dieser Hunger?
Egal, was ich esse oder trinke, der Hunger geht einfach nicht weg. Diese Zeit des Verzichts, in der ich mich und wir uns alle gemeinsam befinden, ob aufgezwungen oder freiwillig, lässt mich meinem Hunger genauer nachspüren. Als vor einigen Wochen klar wurde, dass es in nächster Zeit nicht möglich sein würde, einen Gottesdienst mitzufeiern, war ich traurig und habe mich regelrecht der Möglichkeit beraubt gefühlt, sonntags die Eucharistie zu empfangen. Die Eucharistie gibt mir Kraft und rüstet mich für die bevorstehende Woche. Heute spüre ich: Um die Tiefe und die Schönheit der heiligen Kommunion wieder neu zu spüren, neu zu erkennen, brauchte es den Verzicht. Ich würde nicht freiwillig auf die Eucharistie verzichten, doch spüre ich in dieser Zeit des erzwungenen Verzichts klarer und deutlicher als zuvor, wo ich meinen Hunger wahrhaftig stillen kann.
Ich darf in diesen Tagen ganz neu erkennen, aus welcher Quelle ich meine Kraft schöpfe, was mir wirklich Hoffnung gibt und was meinen Hunger im Letzten stillt. Und so versuche ich, in den Kleinigkeiten des Alltags beständig mit Gott in Kontakt zu bleiben. Das kann durch ein kurzes gesprochenes Gebet gelingen oder mithilfe des inneren Gebets, das ich sehr gerne bete. Verbindung mit Gott kann stattfinden in Momenten, die ich mit meinen Kindern teile oder im gemeinsamen Gebet mit meiner Frau. Ich begegne Gott, wenn ich ihm für die Frühlingssonne danke, die meine Haut angenehm wärmt oder in den vielen Momenten, in denen ich mich an unserem Garten freue, der nun im Frühling zu blühen beginnt. Überall da ist Gott anwesend, er ist spürbar und er wartet auf mich. Er will meinen Hunger stillen und Freundschaft mit mir pflegen.
Gott neu erfahren
In allem Verzicht, den ich derzeit gezwungenermaßen erlebe, darf ich Gott auf eine andere, besondere Art und Weise im Alltag neu kennenlernen und in vielen Situationen meines Lebens seine Hand, seine Führung spüren. Er lebt und begegnet mir im Alltag, der plötzlich zur Ruhe gekommen ist. Der Verzicht auf die Eucharistie, die mir normalerweise im Alltag die notwendige Kraft und Hoffnung gibt, lässt mich plötzlich den wahren Wert von Vielem neu erkennen und bietet mir gleichzeitig andere Möglichkeiten, Gott in meinem Alltag lebendig, erfahrbar und auf neue Weise nahbar werden zu lassen. Welche Hoffnung und welche Schönheit sich in einer Krise finden lassen kann, wenn ich versuche, geöffneten Auges Ausschau danach zu halten!
Hunger habe ich immer noch und ich freue mich jetzt schon sehr auf den Moment, wenn dieser besondere Hunger, den ich tief in mir verspüre, wieder in der Eucharistiefeier gestillt werden kann. Bis dahin bin ich dankbaren Herzens darüber, Gott in meinem Alltag an Orten spüren und erleben zu dürfen, an denen ich ihn sonst vermutlich weniger vermutet hätte.“
Christopher Appelt