Credo : Gerhard, was ist die Jordan Stiftung?
Gerhard Kehl: Wir haben die Jordan Stiftung gegründet, damit wir überkonfessionell arbeiten können mit den christlichen Kirchen, für das Land, die Region, unsere Stadt.
Credo : Mit der Jordan Stiftung gab es auch gemeinsame Projekte mit dem Institut für Neuevangelisierung, heute Abteilung Evangelisierung, etwa die „Himmelszelt”-Veranstaltungen in Seeg. Wie kommt es, dass dir die Einheit der Kirche so am Herzen liegt?
Kehl: Eigentlich liegen mir die Stadt und die Menschen am Herzen. Wenn wir für eine Stadt beten, kommen wir alleine nicht weit, da braucht es die anderen Christen. Schon in unserem Schülergebetskreis, in dem wir für unsere Klasse beteten, war es entscheidend, dass Schüler aus verschiedenen Kirchen dabei waren. Andernfalls wäre ich da alleine gestanden. Weil uns die Menschen am Herzen liegen, geht das nicht über meine Gemeinde allein. Da brauche ich viel Ergänzung.
Credo : Hast du eine bestimmte Vorstellung, wie die Einheit zwischen den Kirchen irgendwann aussehen soll oder bleibst du pragmatisch im Hier und Jetzt?
Kehl: Nein. Ich habe keine besondere Vision oder Ziele, wie diese Einheit aussehen soll. Einheit gibt es ja auf verschiedenen Ebenen. Wenn ich für die Stadt bete, dann kann ich Einheit im Gebet haben.
Als Kirche, Ortskirche, Verband oder Freikirche braucht es eine klare Theologie. Im Zusammenspiel mit anderen – für ein größeres Projekt oder ein größeres Ziel – dürfen wir die Theologie aber gerne mal auf die Seite stellen und uns auf den Knien vor dem Kreuz treffen. Dort ist Einheit leicht und schnell zu erreichen. Je näher ich bei Gott bin, desto tiefer kann ich den anderen sein, auch wenn wir erkenntnismäßig unterschiedliche Ideen haben.
Credo : Einheit ist das Thema der UNUM24 Konferenz. Unum heißt Eins. Was wird der thematische Fokus auf dieser Konferenz sein?
Kehl: Uns bewegt Jesu Gebet in Johannes 17, 21. Eigentlich ist dieser Vers ein ziemliches Mysterium: Wie der Vater und Jesus eins sind. so sollen wir in ihnen eins sein und zueinander. Damit bin ich überfordert. Ich glaube, es geht auch nicht nur um Einheit, sondern um ein Einssein. Diesem Einssein wollen wir auf der Konferenz tiefer nachspüren.
Ein Schwerpunkt liegt bei UNUM24 auf Lobpreis und Anbetung. Dort kommen wir noch am ehesten in dieses Einssein, sowohl in der Gegenwart Gottes als auch im Miteinander. Vieles wird dann einfach. Viele Fragen lösen sich in Luft auf, je näher ich am Herzen Gottes bin. Und aus diesem Einssein heraus, für die Menschen in unserer Zeit, für unser Land zu beten, das ist entscheidend. Das Gebet aus der Nähe zum Herzen Gottes entfaltet große Kraft, vor allem im geistlichen Raum.
Credo : Die Frage der Einheit ist ja eng mit der Frage der Mission verknüpft. Neben Spaltungen erleben wir im Westen quasi eine Auflösung der Kirchen u. A. durch die bekannten und weniger bekannten Skandale von Machtmissbrauch. Wir bemühen uns um neue Aufbrüche und gleichzeitig zerbröselt es von innen. Ist das ein Thema, das euch auch im Blick auf die UNUM Konferenz beschäftigt?
Kehl: Also das schmerzt natürlich jeden von uns, wenn wir sehen, dass Leiterschaft nicht funktioniert oder missbraucht wird. Die Mehrheit der Pastoren und Pfarrer, die ich kenne, sind treue und wunderbare Menschen, die mich inspirieren und Vorbilder sind. Für mich ist wichtig, dass Pfarrer und Pastoren gut eingebunden sind. Deswegen gibt es Kirchen, den Bund, die Netzwerke auch wenn das kein hundertprozentiger Schutz ist. Wir haben als geistliche Leiter, eine große Verantwortung für uns selbst, in der ersten Liebe zu bleiben, mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen und uns gut einbetten zu lassen. Für die Konferenz steht das Thema aber nicht auf der Tagesordnung. Wir fokussieren uns auf das gemeinsame Gebet.
In Johannes 17 lesen wir: „damit die Welt glaubt.“. Einheit und Mission haben sehr viel miteinander zu tun. Aber wir wollen mit der Mission nicht warten, bis wir alle eins sind. Ich glaube, dass das Zeugnis des Evangeliums eine ganz andere Kraft hat, wenn dahinter eine Einheit im Geist steckt. Natürlich ist das Ringen um Erkenntniseinheit wichtig, und da konnten die Kirchen in den letzten Jahren viele Fortschritte erziehlen. Aber es muss auch eine Einheit möglich sein, die wir im Miteinander und im gemeinsamen Gebet entdecken können.
Credo : Bei euch spielen Zeichen und Wunder eine große Rolle. Welche Rolle?
Kehl: Das Evangelium erlebbar zu machen. Wenn das Evangelium nur Buchstaben oder Tradition sind, fragen vor allem jungen Menschen: Ist das echt? Funktioniert das in meinem Leben? Da entstehen Spannungen.
Wir haben im Westen einen anderen Zugang dazu als zum Beispiel die südlichen Länder oder Drittweltländer, die an vielen Stellen darauf angewiesen sind, dass ein Zeichen oder ein Wunder passiert. Wir haben schon so viel und brauchen Wunder oft scheinbar nicht mehr.
Wir beten aber für Zeichen und Wunder. Tatsächlich. Wir haben beispielsweise in einem Gottesdienst gebetet, dass Menschen von Allergien geheilt werden. Und tatsächlich haben mir zwei, drei enge Freunde, die ihr Leben lang eine Allergie hatten, berichtet, dass sie geheilt wurden. Ganz oft beten wir aber auch und es passiert überhaupt nichts. Wir wollen unsere Theologie aber nicht um das, was wir nicht erleben, herum bauen, sondern in der Spannung bleiben und festhalten, an dem was wir lesen, auch wenn wir es nicht erleben. Und aus dieser Spannung heraus an ihm bleiben, der uns in Beziehung hinein ruft.
Ein Wunder ist immer eine Einladung in Beziehung. Ein Wunder, das nicht zu einer Offenbarung eines Wesenszugs Gottes führt, hat seine Kraft, sein Ziel verpasst. Das Wunder zeigt ja immer auf den, der Beziehung möchte. Deswegen bin ich nicht abhängig von Wundern, um diesen Glauben zu haben. Aber ich schließe es auch nicht aus. Ich lasse mich von dieser Spannung nicht entmutigen zu beten.
Credo : Das Thema Zeichen und Wunder ist ja hier und da auch problematisch: Ich denke an TV Prediger aus den USA, die stark mit Heilungen arbeiten. Da stellt sich später auch mal heraus: Manches war schöngeredet oder es wurde nachgeholfen, damit es gut aussieht. Was ist für dich ein weiser Umgang damit?
Kehl: Man muss denke ich die amerikanische Kultur verstehen. So etwas wollen wir in Europa nicht. Wir denken und handeln anders. Unsere Werteskala sieht da anders aus. Und doch habe ich gelernt, Zurückhaltung aufzugeben, statt Zurückhaltung mit Weisheit zu begründen. Für mich waren da Erfahrungen, die ich in Afrika gesammelt habe, maßgeblich. In Europa versuchen wir möglichst Fehler zu vermeiden. Ich hatte auch immer die Angst, eine Heilung zu feiern, die vielleicht gar keine wirkliche Heilung war. Dort aber hatten die Leute einen ganz anderen Blick darauf: Für sie wäre es schlimmer gewesen, über eine Heilung nicht zu jubeln, als versehentlich einmal zu viel zu jubeln.
Dieses Erlebnis hat mich umdenken lassen. Hier konnte ich von der afrikanischen Kultur lernen, über mich hinauswachsen, entspannter werden und zu sagen: Wenn es nicht 100 % besser geworden ist, sondern 10 %, dann lass uns die 10 % feiern. Am Schluss geht es nicht darum, ob oder wie viel Prozent oder wie oft ein Wunder passiert, sondern um die Beziehung zu dem, der dahinter steht.
Credo : Gleichzeitig gab Jesus Leuten, die er geheilt hat, oft mit auf den Weg, den Ball flach zu halten und nicht darüber zu sprechen.
Kehl: Er wird seine Gründe gehabt haben. Wahrscheinlich hatte er keine Lust auf einen Menschenauflauf oder seine Zeit war noch nicht gekommmen. Ich denke da an die zehn Geheilten von denen nur einer zurückkam. Da wurden alle geheilt, aber nur einer gesund. Nur einem wurde wirklich offenbar, was dieses Wunder eigentlich in sein Leben tragen sollte, nämlich die Offenbarung, wer Gott für ihn durch Christus geworden ist.
Oder die Wunder beim Fischfang: Beim ersten Mal, bei der Berufung des Petrus, waren die Fische das Wichtige. Beim zweiten Mal, nach der Auferstehung, lässt Petrus die Fische liegen. Das Wunder an sich war nicht mehr so interessant. Die Offenbarung, die dahinter stand, war: Er hat plötzlich Jesus erkannt. Er lässt die Fische, das Boot, alles stehen und liegen, springt ins Wasser und kommt zu Jesus. Wenn das Wunder, das ich erlebe, mich nicht in eine Offenbarung über Christus führt, hat das Wunder sein Ziel verfehlt. Wunder sollen uns in die Arme des Vaters ziehen.
Credo : Was sind eure Erwartungen für die UNUM24 für Deutschland oder Europa?
Kehl: Dass die Menschen, die kommen, eine Gottesbegegnung haben. Dass wir in dieser Halle die Gegenwart Gottes erleben, uns in der Anbetung eins machen und für unser Land beten. Für die Dinge, die anstehen, für das, was der Geist uns zeigt.
Dieses gemeinsame Beten – das habe ich schon oft erlebt – hat so eine Kraft, dass ich selber erfrischt, gestärkt, voller Zuversicht, mit neuer Vision für meine Situation, meine Arbeit, meine Familie, meine Kirche etc. wieder nach Hause gegangen bin. Das waren nicht nur Gefühle allein – die hätten mich nicht durch die nächsten Jahre getragen – es war Substanz dahinter, geistliche Realität.
Wir brauchen die Ortsgemeinde, die Zusammenkünfte im kleinen Kreis. Aber ab und zu so einen Schub aus dem großen Miteinander, das wünsche ich mir sehr. Dass wir uns einreihen können mit all den Lobpreisleitern, den Bands, den Sprechern, den Menschen, den Bibelschulen, die alle ein großes Ziel vereint, nämlich, dass wir uns vor dem Kreuz treffen und Christus anbeten.