Thema · Standfest bei Gegenwind
Resilienz: Mit innerer Stärke durch den Alltag
von Inga Dammer · 22.09.2021
Wenn uns der Alltagswind scharf ins Gesicht bläst, brauchen wir eine gute Portion Widerstandskraft, um stehen zu bleiben – und jede Menge davon, um weiterzugehen. „Resilienz“ nennen Psychologen die innere Kraft, die uns gegen die Zumutungen des Lebens ankämpfen und Krisen verkraften lässt. Das aus dem Lateinischen stammende „resilire“ bedeutet „zurückspringen“ oder „abprallen“. Resilienz meint also eine gewisse Flexibilität und Belastbarkeit, ähnlich einem Gummiband. Das schnellt nach dem Dehnen wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Aber woher kommt diese psychische Widerstandskraft? Ist sie angeboren? Oder kann ich sie trainieren?
Beides stimmt. Manche Menschen zeigen von klein auf ungeheure Stärke in schweren Lebenslagen und wachsen im besten Fall daran, andere müssen erst die passenden Strategien erlernen. In jedem Fall lohnt sich ein Blick auf die Stärken sogenannter „resilienter“ Menschen, um sich etwas abzuschauen. Dabei entdeckte die Wissenschaft seit Beginn der Resilienz-Studien in den 1950er Jahren, dass es sich bei den Schutzfaktoren um eine Kombination aus inneren Einstellungen und sozialen Fähigkeiten handelt.
Resilienz trainieren anhand von Schutzfaktoren
Akzeptanz
Wir können nicht alles in unserem Leben steuern. Resiliente Menschen haben oftmals den Mut, Situationen klar zu betrachten und zu unterscheiden: Wo kann ich etwas verändern? Und wo eben nicht? Diese Einstellung schützt vor dem zermürbenden Kampf gegen Windmühlen und dem Festhalten an Vergangenem. Und sie hilft uns, Schwächen und Fehler bei uns selbst anzunehmen, die nicht (mehr) zu ändern sind.
Optimismus
Positiv zu denken heißt nicht, eine rosarote Brille auf die Nase zu setzen. Gemeint ist die Fähigkeit, auch in problematischen Zeiten zuversichtlich zu bleiben. Sich der Krise zu stellen in dem festen Glauben, dass es hinterher gut weitergehen wird. Diese Einstellung ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung – täglich aufs Neue. In einem Tagebuch lassen sich kleine Dinge sammeln, die gut gelaufen sind. Und wenn es das fließende warme Wasser am Morgen in der Dusche ist.
Eigenverantwortung
Jede Krise lässt sich aus zwei Perspektiven betrachten: Was tragen andere zu dieser Situation bei? Und: Was liegt in meiner Verantwortung? Ziel dieser ehrlichen Schau nach Innen ist es, die „Opferrolle“ zu verlassen und wieder aktiv zu werden. Manchmal erstarren wir in Glaubenssätzen wie „Ich muss immer stark sein“ oder „Ich darf nicht Nein sagen“. Dann liegt es in unserer Verantwortung, diese zu erkennen und zu verändern.
Lösungsorientierung
Menschen mit ausgeprägter Resilienz lenken auch in Krisen ihren Blick weg vom Problem hin zur Lösung. Auch diese Ausrichtung ist ein Lernprozess. Sie lebt vom ausdauernden Wiederholen – wie das Üben an einem Instrument oder das Training für einen Halb-Marathon. Suchen Sie nach der kleinsten Chance in der momentanen Situation. Fragen Sie sich: Wo will ich hin? Ein klares Ziel treibt Sie innerlich am besten an, um schwierige Situationen zu überstehen.
Netzwerken
Menschen brauchen Zuwendung – erst recht in der Krise. Auch in schwierigen Umständen lohnt es sich, Netzwerke zu knüpfen und zu pflegen. Gehen Sie auf andere zu, ob digital oder in echt. Halten Sie geplant den Kontakt. Helfen Sie sich gegenseitig. Rechtzeitig um Unterstützung zu bitten, ist eine hohe Resilienz-Kompetenz! Machen Sie vielleicht einen Netzwerk-Check: Wer stärkt mich? Wen stärke ich? Welche Kontakte möchte ist vertiefen? Welche neu aufbauen?
Und nicht zuletzt: Glaube & Spiritualität
„Der Glaube versetzt Berge“ – in diesem Spruch steckt eine tiefe Weisheit. Für viele Menschen ist der Glaube an Gott oder eine höhere Macht von enormer Hilfe in Krisen, vor allem in Lebenskrisen. Er spendet Kraft und öffnet den Blick hoffnungsvoll in die Zukunft.
Der Artikel wurde ursprünglich in der Katholischen SonntagsZeitung/Neue Bildpost veröffentlicht (Ausgabe 26 vom 3. Juli 2021). Wir nutzen den Text als Beitrag zum aktuellen Thema „Veränderung“ mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Sankt-Ulrichs-Verlags.