Thema · Irrlichter | Innere Festlegungen
Potenzialkiller „Ich bin dumm”
von Schwester Mechthild Steiner · 18.01.2023
„Ich bin dumm. Das ist nichts für mich! Das kann ich eh nicht!“, sagte Rosi* zu mir, als ich ihr beim Lernen für die Gesellenprüfung half. Ich konnte das gar nicht verstehen, denn sie ist nicht dumm. Gut, in Mathe habe ich ihr das eine oder andere, das sie falsch gemacht hatte, noch mal erklärt. Aber sie konnte den Erklärungen sofort folgen, hat ganz schnell kapiert, wie es richtig geht und konnte dann sogar bei ähnlichen Aufgaben, die sie schon gerechnet hatte, den Fehler selbst finden und korrigieren. Voller Lernerfolg!
Sie war trotz dieses Erfolges und meines großen Lobes fest davon überzeugt, dass sie dumm ist. Weder ihr exzellentes Schulabschlusszeugnis noch ihre erfolgreich abgeschlossene Ausbildung – drittbeste Gesellenprüfung des Bundeslandes – konnten sie davon abbringen. So manche Chancen und Möglichkeiten hat sie nicht ergriffen, denn „dafür bin ich doch viel zu dumm“. So manche Träume hat sie sich nie getraut zu verwirklichen, denn „ich bin doch eh zu dumm dafür“. So manchen tiefergehenden Fragen hat sie sich nie gestellt, sondern lieber vorschnell vereinfachende Antworten übernommen, denn „ich bin doch viel zu dumm, um selbst etwas zu denken“. So wurde diese Überzeugung zu einem Irrlicht, das eine weitsichtige Orientierung von vornherein behindert hat.
Warum glaubst du denn, dass du dumm bist?
„Warum glaubst du denn, dass du dumm bist? Hat mal jemand gesagt, dass du dumm bist?“, fragte ich sie schließlich, weil ich verstehen wollte, wie sie zu dieser offensichtlich nicht realitätsgetreuen Überzeugung kam. „Ich BIN dumm!“, antwortet sie mir. „Vor einigen Jahren, als ich noch ein Kind war, vielleicht so neun Jahre alt, war ich mit meinem Vater unterwegs. Ich weiß nicht mehr genau worüber er gesprochen hat, wahrscheinlich über die Wirtschaft oder Zinsen oder so was. Auf jeden Fall habe ich es nicht so gut verstanden und eine Frage gestellt. Dann hat er gesagt: ‚Bist du naiv!‘ Ich kannte das Wort ‚naiv‘ nicht und habe es dann zu Hause im Wörterbuch nachgeschaut. Da stand, dass naiv ‚dumm‘ bedeutet. Und es stimmt ja auch. Ich bin dumm.“
Leider hatte Rosi die weitere Bedeutung von naiv, nämlich „kindlich“ völlig ausgeblendet und sich innerlich total auf die Aussage „Ich bin dumm“ festgelegt. Solche inneren Festlegungen können einen echt fesseln, vor allem wenn es sich wie bei Rosi um Lügen handelt, die man glaubt. Aber auch dann wenn es keine so krassen Lügen über einen selbst sind, können innere Festlegungen in eine falsche Richtung führen.
Festlegungen sind Potenzialkiller
Wenn man sich zum Beispiel schwört: „Das passiert mir nie wieder. Auf eine Liebesbeziehung lasse ich mich nie wieder ein!“, kann es passieren, dass man auch seinem zukünftigen Ehemann oder der von Gott zugedachten Ehefrau nie eine Chance gibt. Solche inneren Festlegungen können mein Leben auf negative Weise bestimmen. Aber wenn ich mir dessen bewusst werde, kann ich auch aktiv die Festlegung zurückweisen. Also zum Beispiel mir selbst sagen: „Ich habe einer Lüge geglaubt. Ich widersage dieser Lüge. Ich bin nicht dumm!“ Jesus, der möchte, dass wir frei entscheiden und uns nicht von inneren Festlegungen einschränken lassen, kann dabei auch helfen. Bitte ihn einfach um Hilfe. Du kannst z.B. beten: „Jesus, befreie mich von dieser Festlegung. In deinem Namen widersage ich dieser Lüge. Ich will ihr nicht mehr glauben, sondern dir!“