Als Kind konnte ich nicht besonders gut Schlittschuhlaufen. Aber ich versuchte herauszufinden, wie es die Anderen machten, welche Bewegungen man genau machen musste, um anzufahren bzw. zu bremsen. Mit der Zeit wurde ich tatsächlich besser. Und wenn ich mich heute zunächst noch oft unsicher auf den Schlittschuhen fühle, merke ich, dass ich gelernt habe, besser zu fahren und ich nach zwei bis drei Zügen sicher auf dem Eis bin. So können Vorbilder einem Orientierung im Leben geben. Wir ahmen Verhalten nach.
Druck von überall her
Beim Erwachsenwerden ahmt man Andere oder Verhaltensweisen nicht nur natürlich nach, sondern auch, wenn man an- oder zurechtgewiesen wird, etwa wenn dich Verwandte mit der braven Cousine vergleichen oder dich direkt korrigieren. Und mittlerweile weitet sich das über Freunde und Verwandte auf Social Media aus.
Wenn es nach Social Media ginge, müsstest du am besten innerhalb eines Jahres ein Start-up gründen, mega viel reisen und in jeder Sekunde Weltbewegendes erleben. Alles natürlich per Video dokumentiert, aber zugleich ungefiltert und ohne Handy erlebt. Du solltest mehr Sport machen, aber auch mit dir selbst zufrieden sein, dich gesünder ernähren, aber dir auch mal etwas gönnen. Morgen- und Abendroutine zur Hautpflege ist ein Muss! Aber ohne zu viele Produkte! Make-up macht schöner, natürlich sein auch. Schnell ganz viel Geld verdienen und dann alles für Reisen herausblasen. Zig Hobbys pflegen und in mindestens einem exzellent sein. Work hard, party hard! Besser! Schneller! Mehr! Mach alles sofort! Denn schnell bist du alt und bereust, dass du es nicht gemacht hast.
Ich finde, jeder hat genug Zeit, seinen Zielen nachzugehen. Hättest du alles sofort erledigt, was gäbe es dann noch zu tun? Klar, es gibt unerwartete Wendungen und plötzlich bleibt weniger Zeit, als man dachte. Aber das Leben hat seinen Wert, auch wenn du keine Berühmtheiten getroffen hast oder für beste Ergebnisse auf deinem Gebiet in den Schlagzeilen warst.
Der Blick auf den Kopierer
Nachahmung kann so in eine ziemlich negative Richtung gehen, etwa wenn wir aus Neid jemanden kopieren oder aus falschen Motiven etwas erlernen möchten. Dadurch kann man sich und andere verletzen, manipulieren und aus der Bahn geraten.
Papst Franziskus hat 2019 einen Brief an die Jugend verfasst: „Christus Vivit“ (CV – dt. Christus lebt). Darin schreibt er: „Ich erinnere dich aber daran, dass du nicht heilig und erfüllt sein wirst, wenn du andere kopierst. […] Es gibt Zeugnisse, die zur Anregung und zur Motivation hilfreich sind, aber nicht als Kopiervorlage! Das kann uns sogar vom einzigartigen Weg abbringen, den der Herr für uns vorgesehen hat. […] Heilig zu werden, bedeutet ganz du selbst zu werden” (CV 162).
Für dein Leben gibt es keine Anleitung und niemanden, der dein Leben genauso vorlebt, wie es für dich perfekt wäre. Deswegen schadet es dem eigenen Lebensweg, jemandem blind nachzufolgen. Deine Freunde, Verwandte und Social Media wissen es nicht immer besser und du kannst auch noch mit 60 Jahren ein neues Hobby anfangen. Ob du morgen etwas erreichst, in vier Wochen oder in sechs Monaten macht keinen Unterschied, wenn du stolz sein kannst, das erreicht zu haben. Ein Erlebnis oder deine Talente sind viel wert, egal wie viele Likes es auf Instagram erhält. Dein Leben ist wertvoll, auch wenn du nicht perfekt bist. Das Leben deiner Großeltern war wertvoll, obwohl es kein Social Media gab, um alles sofort mit jedem zu teilen.
Papst Franziskus sagt in Christus Vivit: „Du musst entdecken, wer du bist, und deine eigene Weise des Heiligseins entfalten, unabhängig davon, was andere sagen und meinen“ (CV 162).