Thema · Interview mit Hubert Liebherr
Medjugorje geht auch ohne Privatjet
von Simone Zwikirsch · 12.11.2020
Credo: Herr Liebherr, wer Ihren Namen hört, denkt sofort an gelbe Baumaschinen. Sind Bagger Teil ihrer Identität?
Liebherr: Ich bin ja schon seit 1988 nicht mehr im Tagesgeschäft. Aber trotzdem: Wenn ich ein Gerät sehe, das auf einer Baustelle steht oder eine Fabrik besuche, bin ich immer wieder fasziniert und freue mich. Und manchmal denke ich mir dann auch, das würde mich doch wieder reizen, da mit dabei zu sein. Aber spätestens wenn ich abends im Bett liege, beim Nachtgebet, denk ich wieder: Nenene, das ist es nicht! Das war damals wunderbar, aber heute habe ich definitiv eine andere Berufung und der möchte ich treu bleiben.
Wodurch unterscheidet sich Ihre frühere Berufung von der, die Sie heute haben?
Die Technik und die ganzen Maschinen werden irgendwann entsorgt nach so und so viel Jahren. Heute geht es um Menschen, die ich vor allem durch Medjugorje-Wallfahrten begleiten darf, die ich als Bodenpersonal des Himmels auch an den Glauben heranführen darf. Und da spür ich, das sind Dinge, die gehen in die Ewigkeit hinein und haben damit einen ganz anderen Stellenwert als Baumaschinen.
Waren Sie früher ein erfolgsorientierter Mensch, der sich über seinen Karrierestatus identifiziert hat? Als Teil eines erfolgreichen Familienunternehmens war Ihre Karriere doch bestimmt vorgezeichnet.
Oh ja, schon mit fünf Jahren habe ich Autofahren gelernt. Wir hatten einen großen Hof mit Parkplatz und am Wochenende war der leer. Da sind wir gefahren, stundenlang. Es gab keine Baumaschine, die meine Geschwister und ich nicht zum Laufen gebracht hätten – von jüngsten Jahren an. Mich hat auch nichts anderes interessiert. In der Firma bin ich total aufgegangen. Und aus rein weltlichen Gesichtspunkten war mir die Karriere daher natürlich wichtig. Ich wollte die Firma prägen und da musst du dich auch mal durchsetzen – und Verantwortung für die Mitarbeiter übernehmen. Das gehört immer dazu. Mich da zu beweisen, so gut ich konnte, das war für mich von vornherein klar. Aber ohne Gott.
Doch dann kam Gott ja irgendwann dazu und hat alles verändert … Was ist passiert?
Nach einem Unfall – er passierte bei einer Kapelle auf dem Weg zur Arbeit – habe ich der Muttergottes versprochen, dass ich sie zum 70. Jahrestag von Fatima dort besuchen kommen werde. Ich hatte wirklich das Gefühl, sie hat mir geholfen und zum Dank habe ich mich dann im Januar 1987 gemeinsam mit einem Freund im Privatflugzeug – das war damals normal für mich – auf Wallfahrt begeben. Die Tatsache, dass die Muttergottes hier vor genau 70 Jahren erschienen ist, stimmte mich allerdings traurig, weil ich mir dachte: Jetzt, wo ich lebe, erscheint sie nicht mir.
Und Sie flogen enttäuscht zurück?
Erstmal ja. Doch dann erzählte mir mein Freud während des Rückflugs von einem Ort, an dem die Mutter Gottes auch heute noch erscheint – Medjugorje. Und ich wusste, dort muss ich hin. Was hatte ich denn in Fatima verloren, wo die Erscheinung vor siebzig Jahren war – da war ich ja völlig verkehrt (lacht). Sechs Wochen später war ich dann das erste Mal dort – auch wieder mit meinem Flugzeug. Und gleich beim ersten Besuch hatte ich so ein besonderes Beichterlebnis, dass ich Rotz und Wasser heulen musste. Dieser Ort hat mich von Anfang an fasziniert und mir geistlich so viel gegeben.
Haben Sie damals schon daran gedacht, Ihren Posten in der Firma aufzugeben?
Wir haben damals schon die erste Pilgerfahrt geplant, doch meine Haupttätigkeit war klar die Firma. Trotzdem trieb mich die große Frage um: Wie kann ich die Firma und nebenher die Wallfahrten unter einen Hut bringen? Und an dem Tag, bevor wir mit der ersten Pilgergruppe nach Medjugorje geflogen sind, bekam ich in Maria Vesperbild während des Weihegebets die Antwort: „Verlasse alles, was du bist und hast und folge mir nach.“ Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit. Mir blieb erstmal die Luft weg. Als wir am nächsten Morgen nach Medjugorje geflogen sind, bat ich die Muttergottes, mir nochmal ein Zeichen zu geben, sollte das wirklich mein Weg sein. Ich suchte nach einem Zeichen am Himmel und es kam nichts. Erst bei unserer letzten heiligen Messe ist es passiert: Ich spürte innerlich, wie alle Chöre des Himmels den Herrn lobpreisen und ich bin als einziger Sünder mittendrin. Ich fühlte mich so klein und unwürdig und wollte nur noch weg, weil ich die Herrlichkeit um mich herum nicht ertragen konnte. Und danach konnte ich sagen, ohne zu wissen, wie es kommen wird: Ja, ich werde alles verlassen, was ich bin und habe und ich werde Dir nachfolgen.
Wer oder was gibt Ihnen heute Identität?
Identität hängt für mich mit der Frage zusammen: Wozu bin ich auf Erden? Die Hilfe dafür ist immer das Gebet, wo ich dem Herrn diese Frage stelle. Denn letztlich sollte Identität immer – zumindest bei uns Christen – auf Jesus Christus hinweisen. Und dort, wo ich meine Identität lebe, kommt die wahre innere Erfüllung. Das ist vielleicht das Größte und Schönste, was der Mensch erleben kann. Eine weitere Grundidentität, die jeder Christ haben könnte und sollte – und das ist für mich in den letzten Jahren immer wichtiger geworden – ist es, andere Menschen zu bereichern. Die Welt lebt genau das Gegenteil. Doch Geben ist seliger als Nehmen. Seitdem ich das gelernt habe, spüre ich, wie der Herr wirkt, wenn man ihn in sein Leben lässt. Was ich heute ebenfalls als meine Identität empfinde ist, soweit ich kann den Blick auf die Freude auf die neue Zeit hin zu lenken. Zum Jahrestag 2019 gab die Muttergottes in Medjugorje folgende Botschaft: „Ich führe euch in die neue Zeit, damit ihr beständig im Gebet und fest im Glauben seid, so dass der Heilige Geist wirken kann und durch euch das Angesicht der Erde erneuern kann.“ Und das wird gerade jetzt, wo ein Ende der zweiten Corona-Welle noch gar nicht absehbar ist, immer wichtiger. Den Blick nicht von dieser neuen Zeit zu lassen, dass wir nicht irregehen oder verzweifelt werden.
Warum ist Medjugorje ein guter Ort für Menschen, die auf der Suche nach Identität sind?
In Medjugorje ist die Gnade der Versöhnung besonders spürbar. Das ist sicherlich der Grund, warum dort so viele Menschen das Sakrament der Liebe, der Barmherzigkeit und der Versöhnung mit Gott wiederentdecken. Dort gibt es 70 Beichtstühle und die reichen oft nicht aus. Diese Beichtstühle sind für mich wie eine geistige Müllverbrennungsanlage. Nach Medjugorje kommen die LKWs von der ganzen Welt, schütten ihren ganzen Schrott da rein und der Herr verwandelt ihn durch das Sakrament wieder in reine geistliche Luft. Die Menschen kommen anders zurück als sie hin sind. Das habe ich bei den fast 25.000 Menschen, die wir mit unseren Pilgergruppen dahin begleiten durften, immer wieder gesehen. Sie haben einen neuen Frieden, können wieder lachen, sind offener und irgendwo spüren sie, Gott existiert wirklich.
Zur Person: Hubert Liebherr (Jahrgang 1955) war viele Jahre Mitinhaber und Miterbe des Familienunternehmens Liebherr. Nach einem einscheidenden Bekehrungserlebnis gab der Ingenieur seinen Firmenposten und seine Firmenanteile auf und gründete den Verein „Medjugorje Deutschland“, als dessen Vorsitzender er unter anderem Pilgerreisen nach Medjugorje organisiert und begleitet.