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Bischof Dr. Bertram Meier: Die letzte Reise ging in die die Schweiz und auch in die Slowakei, also kleinere Reisen. Aber eine große Reise, die auch in die Öffentlichkeit kam aufgrund der aktuellen Situation, war meine Fahrt in die Ukraine. Eine brisante Reise, die auch lange geheim gehalten war. Aber die Gespräche waren hervorragend. Ich habe mich dort mit Glaubensgeschwistern der Orthodoxie, der unierten griechisch-katholischen Kirche, mit römisch-katholischen Vertretern getroffen und auch mit Vertretern der orthodoxen Kirche, die dem Moskauer Patriarchat nahesteht.
Das waren wirklich sehr gute und differenzierte Gespräche. Meine Aufgabe ist, am Netzwerk Weltkirche zu knüpfen, nah dran zu sein. Mit den Brüdern und Schwestern zu beten, zu singen, sich auszutauschen und auch Pläne für die Zukunft zu schmieden, etwa in Bezug auf ukrainische Flüchtlinge hier in Deutschland bzw. in der Diözese Augsburg. Also es ist mehr Networking. Und ich tue das sehr gerne.
Bischof Bertram Meier: Zunächst einmal heißt Weltkirche nicht weltliche oder säkulare Kirche. Weltkirche bedeutet eher globale, universale, umfassende (griechisch „katholische”) Kirche. Die Kirche macht nicht nur ihre eigene lokale Politik oder nationale Strategie, sondern wir teilen die Sorgen anderer – Stichwort Solidargemeinschaft. Wir können voneinander lernen. Seelsorge etwa in Afrika läuft anders als in Asien. Schließlich bedeutet Weltkirche die nicht zu unterschätzende Gebetsgemeinschaft. Das ist für mich in der Weltkirche ganz wichtig, weil wir nicht nur ein Konzern mit christlichen Vorzeichen sind. Wir haben spirituelle Gaben, die wir teilen sollten, allen voran das Gebet.
Bischof Bertram Meier: In jedem Fall! Bereits mit der Taufe wird dem Säugling und stellvertretend den Eltern und Paten zugesagt: Du bist jetzt eingegliedert in die katholische, in diese global vernetzte Kirche. Das relativiert uns. Es geht nicht nur um MEINE Pfarrgemeinde, MEINE Hauskirche, MEIN Land, MEINE Lobby.
Wenn ich an die Sternsinger denke: Die Sternsingeraktion ist nicht nur eine bayerische, alpenländische Tradition im Sinn einer Folkloreveranstaltung, sondern sie ist eindeutig weltkirchlich ausgestreckt. Die Sternsinger gehen von Haus zu Haus und sammeln Spenden ein. Sie sammeln nicht für die eigene Ministrantenkasse, sondern für das päpstliche Kindermissionswerk und unterstützen damit Hilfsprojekte für ihre Altersgenossen in der einen Welt: Kindergärten, Schulen, Jugendarbeit, auch Sakramentenpastoral. Also ich glaube, wir haben es durch die Taufe, mit der geistigen Muttermilch eingesaugt, weltkirchlich unterwegs zu sein.
Bischof Bertram Meier: Sowohl als auch. Wir haben auf der einen Seite den Auftrag, vor der eigenen Türe zu kehren und zu schauen, wie stark das Evangelium noch im eigenen Land ist, und da ist vieles ausgehöhlt. Gott sei es geklagt. Schon Papst Johannes Paul II sprach davon, dass die Evangelisierung mit der Selbstevangelisierung anfangen muss. Keiner gibt, was er selbst nicht hat. Ich kann nicht evangelisieren, wenn ich mir das Evangelium selber nicht vorher zu eigen gemacht habe. Also Selbstevangelisierung oder auch das eigene Land wieder mit dem Evangelium vertrauter zu machen ist angezeigt. Aber nicht im Sinne einer Gießkanne: „Jetzt evangelisieren wir das Land durch”. Das geht so einfach nicht. Es geht darum, Menschen zu finden, die das Evangelium im Herzen tragen und es den Menschen kommunizieren, nicht als Informanten, sondern als Zeugen des Evangeliums.
Und ein zweites: Nach Außen. Papst Franziskus spricht in Evangelii Gaudium – seiner „Regierungserklärung”, die er kurz nach seinem Amtsantritt geschrieben hat – gerne von den missionarischen Jüngern. Und das, glaube ich, ist das Entscheidende. Er entfaltet das: Jünger sein genügt nicht. Die Jüngerschaft muss lebendig werden und die eigentlich lebendige Jüngerschaft ist missionarische Jüngerschaft. Wir müssen mit Herzerfrischung und Wärme, den Leuten das Evangelium anbieten und zwar sowohl hier im Innern, der Kirche selbst, im Land, aber es auch zu den Menschen nach außen bringen. Alfred Delp hat schon während des Nazi-Deutschlands gesagt: Deutschland ist Missionsland geworden. Dieser Slogan wird oft wiederholt. Wenn wir aber sagen: „Jetzt bringen wir erst einmal in Deutschland alles in Ordnung”, ist das zu kurz gesprungen. Das ist zu wenig. Wir müssen nach außen gehen und diese Weltkirche, im Sinne der Solidargemeinschaft, auch finanziell und personell stärken.
Ein Letztes dazu, das mir noch wichtig ist: Vor kurzem traf ich wieder Menschen, die über Jahre oder Jahrzehnte als Deutsche in einem anderen Land waren. Priester, die jetzt in der Heimat im Ruhestand sind oder auf Heimatbesuch da waren und auch ein paar Laien, Pastoralreferenten oder Gemeindereferenten. Ich würde mir wünschen, dass Priester – auch wenn wir wenige haben – und Laien immer wieder, wenigstens auf Zeit, auf fünf, auf zehn Jahre, in ein anderes Land gehen, um dort das Evangelium hinzubringen. Und bereichert von dort wiederkommen und uns Deutschen einmal sagen: Das ist Kern des Evangeliums. Also diese Austauschsituation wäre mir wichtig.
Bischof Bertram Meier: Zunächst erinnere ich noch mal daran – ich war noch nicht Bischof – dass der Synodale Weg, eine Reaktion sein sollte auf den Missbrauchsskandal. Die Bischöfe 2019 in Lingen waren so erschüttert und erschrocken über die MHG–Missbrauchsstudie, dass sie nach nur einer Nacht, am Tag darauf, aus dieser Schreckenssituation heraus sagten: Wir initiieren einen Synodalen Prozess. Daraus wurde der Synodale Weg. Hier liegt eine Erklärung für diese vier Foren in diesem Format. Diese vier Foren bilden nicht die kirchliche Wirklichkeit und die kirchlichen Herausforderungen in ihrer Weite und Breite ab. Themen wie etwa Weltkirche, Ökumene und Evangelisierung kommen de facto vielleicht als Fußnote vor, aber haben nicht die Kraft vom Kleingedruckten in die Haupttexte zu gelangen. Das ist die Schwäche des Synodalen Wegs in Deutschland.
Ich muss auch sagen, hier ist von einem Bischof ein Spagat verlangt. Auf der einen Seite muss ich versuchen, klar Stellung zu beziehen. Da weiß man, was ich denke. Auf der anderen Seite darf ich den Dienst an der Einheit nicht aufgeben. Ich habe bei meiner Bischofsweihe versprochen, dass ich den Glauben in der Tradition der Kirche – in Einheit und in Unterordnung mit dem Papst – verkünden will. Und auf der anderen Seite muss ich aber auch schauen, dass ein Volk – zumindest so wie es sich im Synodalen Weg darstellt – nicht ausgegrenzt wird. Ich weiß aber aus meinen vielen Gesprächen mit dem Volk Gottes aus Augsburg, dass die Komposition der Synodalen Wegs, wie sie sich in Frankfurt darstellt, nicht unbedingt der Spiegel des Volkes Gottes in Deutschland ist. Wir können in diesem doktrinellen Fragestellungen keine deutschen Entscheidungen treffen. Und die Kunst wird jetzt darin bestehen, das gut zu differenzieren.
Deshalb sehe ich drei große Themenkreise: Die Anthropologie – die Frage nach dem Menschen im Sinne der christlichen Schöpfungsordnung. Zweitens die Christologie – ist Jesus nur ein Impulsgeber von vor 2000 Jahren? Ist er ausschließlich Kind seiner Zeit und muss sich weiterentwickeln – und WIR entwickeln ihn weiter? Das steht uns meines Erachtens nicht zu. Und das Dritte ist die Kirche. Wie wird die Kirche strukturiert? Ist sie nur communio im Sinne einer Kommunikation oder ist es eine doch geordnete communio hierarchica? Also mit einer Hierarchie, mit einer Ordnung auch der Autoritäten, der Leitung, die nicht wir uns als Organisationskonzept ausgedacht haben, sondern die Jesus uns geschenkt hat.
Wir können als Deutsche vieles kaum erwarten. Aber wir sollten auch von der Versuchung abrücken, überall die besten, die ersten sein zu wollen. Wir sind eine vergleichsweise kleine Ortskirche im großen Konzert der Weltkirche. Unsere Stimme soll gehört werden, aber wir haben nicht ständig in der Weltkirche einen Solo-Auftritt.