Thema · Unverbindliche Bettgeschichten

Freundschaft Plus

Der Begriff „Freundschaft Plus” meint eine durch sexuelle Begegnungen „bereicherte” Freundschaft zwischen Mann und Frau, die aber explizit keine Liebesbeziehung ist und in der romantische Gefühle ausgeklammert werden. Credo im Gespräch mit der Religionssphilosophin Dr. Beate Beckmann-Zöller über ein Phänomen unserer Zeit.

von Raphael Schadt · 06.05.2021

Zwei Hände im Bett. Freundschaft Plus
Symbolbild: Freundschaft Plus. Daria Shevtsova / pexels.com.

Credo: Woher kommt der Begriff „Freundschaft Plus“?

Beate Beckmann-Zöller: Das Phänomen „Freundschaft Plus“ ist allem voran durch zwei Filme bekannt geworden: „No Strings Attached” (dt. „Freundschaft plus”, 2011) und „Friends with Benefits (dt. „Freunde mit gewissen Vorzügen”, 2011). Darin wird die Frage gestellt: ist eine normale Freundschaft zwischen Mann und Frau auch mit gelegentlichem Sex möglich? Bei „No Strings Attached” zum Beispiel geht es um eine Freundschaft, die von Kindheit an besteht, er sucht Trost, sie will keine emotionale Bindung. Der Deal ist: Beziehung nur mit Sex, ohne Gefühle. Man versucht abgebrüht zu werden, sich nicht zu verlieben und die Seele oder das Herz auszuklammern.

Freundschaft Plus

Credo Talk Podcast: Raphael Schadt im Gespräch mit Religionsphilosophin Dr. Beate Beckmann-Zöller

Credo: Das Phänomen ist schon recht verbreitet. Weshalb wählen Menschen eine so geringe Verbindlichkeit?

Beckmann-Zöller: In der Regel nur, wenn man schon einmal eine Liebesbeziehung hatte und enttäuscht wurde. Teenager suchen die große Liebe. Man hat als junger Mensch zunächst die Vorstellung „wir bleiben für immer zusammen”. Wenn diese auseinander geht, und wenn bereits intime Begegnungen stattfanden, kann die Enttäuschung bleiben, dass das Konzept „Liebesbeziehung” nicht funktioniert.

Anders als beim One-Night-Stand, wo ich abgesehen von meinem Körper total abgelehnt werden kann als Mensch, besteht bei einem guten Freund aus der Clique bereits eine Vertrauensbasis. In Situationen, wo Alkohol im Spiel ist, man den Freund auch als attraktiv wahrnimmt, kann Sex als Option in Frage kommen.

Komplizierte Regeln für „Freundschaft Plus”

Für eine „Freundschaft Plus” gilt es – so rät eine bekannte Frauenzeitschrift – viele Regeln zu beachten: Man muss sich darüber verständigen, dass man (1.) keine Liebe bzw. keine Beziehung erwartet, (2.) dass man zwischen Sexualität und Emotionalität trennt, und (3.) jeder seinen Vorteil sucht. Also keine Selbstlosigkeit! Es gilt zu klären, ob es sich (4.) um einen One-Night-Stand oder eine langfristigere Affäre handeln soll, (5.) ob der gemeinsame Freundeskreis davon erfahren soll oder nicht und (6.) wie die „Freundschaft Plus“ wieder beendet werden soll, also per Kurz-Nachricht oder Gespräch, bzw. wie man sich anschließend im Freundeskreis zueinander verhalten soll. Schließlich wird empfohlen, (7.) immer die Wohnung sauber zu halten: Man zeigt sich auch bei spontanen Treffen immer von der Sonnenseite. Also nur Sex. Keine weiteren Gefühle, keine Liebe!

Credo: Was ist daran das Problematische?

Beckmann-Zöller: Wenn wir trennen zwischen Sex und Emotion, mache ich mir das Gegenüber zum Sportgerät für mein Lust- und Wohlbefinden. Das Problem dabei ist: Wir brauchen Liebe und Empathie, wenn wir eine stabile Ehe und Familie gründen wollen. Wenn ich mir das als junger Erwachsener abtrainiere, wird es schwierig, es später zu leben. Mit Freundschaft Plus gerät das Ziel, Familie zu gründen aus dem Blick und man droht, die Generationengemeinschaft aufzutrennen.

Eine Individualismusfalle

Je öfter ich versuche, meine Gefühle zu trennen, desto schwerer erlerne ich es, wenn ich es brauche, weil ich doch noch Mutter werden will. Laut dem Philosoph Richard-David Precht wird die Lebensform der Zukunft nicht mehr die Ehe und Familie sein, sondern Individuen, die zufällig auch Kinder miteinander haben, aber nicht mehr miteinander leben können, weil sie so individuell geworden sind, mit Vorlieben, Bedürfnissen und Erwartungen, die den anderen letztlich überfordern.

Darüber hinaus ist Freundschaft Plus ein unsoziales Phänomen, denn wer sich ausschließlich um die Organisation des eigenen Erfolgs und die eigene Lust kümmert, hat keine Zeit mehr, sich z.B. um echte Nöte und Probleme anderer zu kümmern. Solche Trends schaden also nicht nur dem Individuum, sondern auch der Gesellschaft.

Credo: Wie erklärt sich die Akzeptanz solchen Sexualverhaltens, auch seitens Getaufter?

Beckmann-Zöller: Das war eine schrittweise Entwicklung. Fruchtbarkeit wurde in der Gesellschaft von Sex entkoppelt, Katholiken zogen mit. Kinder entstehen meistens nicht mehr ungeplant. Sex ist weitestgehend frei von ungeplanten Konsequenzen. Das hat die Gewohnheiten umgeformt und dementsprechend wird nun auch in den Schulen „sexuelle Bildung“, d.h. die ungebundene sexuelle Entfaltung gelehrt. Jugendlich erfahren, dass es nur darum geht, gut zu verhandeln, welche Art von Beziehung, Sex oder Methoden sie haben wollen.

Credo: Wie können Gläubige dieser Entwicklung begegnen?

Beckmann-Zöller: Wenn sich bei Jugendlichen etwas anbahnt, weiß niemand, „was will ich denn eigentlich?”. In der Persönlichkeitsentwicklung muss ich ja erst einmal mich selbst kennenlernen. Dann den anderen. Junge Menschen brauchen eine Perspektive, wie eigentlich das nachhaltige langfristige Glücklichsein gelingen kann. Wenn es nur um „Lust“ geht, muss man alles ausleben. Aber das ist nicht der Weg zum lebenslangen Glück einer Familie. Die erfüllte Ehe und die glückliche Familie ist aber das, worum es der katholischen Sexualmoral geht.

„Die beste Freundschaft Plus ist die Ehe!”

Das Problem ist, dass Glücksperspektiven nicht frontal gepredigt werden können. Sie kennen zu lernen geht über Zeugnisse. Und diese höre ich in der Kirche dann, wenn ich in einer Jugendgruppe bin, die sich bewusst gegen die gesellschaftliche Zivilmoral und für eine katholische Moral und den Wert einer stabilen Familien entschieden hat. Solche Jugendgruppen gehören jedoch bereits zu den Minderheiten in unserer Gesellschaft, muss man leider sagen.

Beziehungs- und Bindungsfähigkeit einzuüben ist die Aufgabe der Zukunft. Es gilt erst einmal Freunde zu werden, sowohl in Gruppen gleichen Geschlechts und dann zwischen den Geschlechtern – in Kleingruppen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Das sind Orte, in denen man im Austausch von- und miteinander lernt und einübt, wie man glücklich werden kann – Lebensschule sozusagen.

Die Voraussetzung für eine glückliche Liebesbeziehung und Ehe ist: „Du, nur du, jetzt und für immer. Und mit Dir: Kinder!” Denn alle Liebe will Ewigkeit. Dann will ich mich ohne Schranken hingeben, ohne, dass ich meine Fruchtbarkeit abschaffe, ohne mir oder dem anderen Schranken aufzulegen, frei in den Gefühlen, frei von Kleidung, frei von Chemikalien zwischen uns. Daraus entsteht neues Leben. Da können Kinder geborgen aufwachsen. Das ist katholische Sexualmoral. Das ist die beste Voraussetzung für eine Ehe. Die beste Freundschaft Plus ist die Ehe! Denn mein Mann ist auch mein bester Freund.