Thema · Social Distancing

Freundschaft in Corona-Zeiten

In gelebter Freundschaft findet Begegnung statt, die wir Menschen in existenzieller Weise brauchen. Der Mensch ist als soziales Wesen auf ein Du hin orientiert. In Corona-Zeiten mit Quarantäne und Kontaktbeschränkungen ist die Art und Weise, wie Freundschaft gelebt werden kann, vor neue Herausforderungen gestellt. Gleichzeitig ist diese Zeit eine Chance, den Kern von wahrer Freundschaft neu zu entdecken und wertzuschätzen.

von Magdalena Bühler · 08.03.2021

Telefinierende Frau mit traurigem Blick.
Telefonieren ist das, was bei Kontaktbeschränkungen bleibt. Symbolbild: Siavash Ghanbari, unsplash.com.

Jeder Mensch erfährt in seiner Sozialisation von Beginn an, dass er für die Begegnung mit einem Gegenüber, einem Du gemacht ist. Schon für Kleinkinder ist die Interaktion mit Gleichaltrigen von großer Bedeutung. Hier werden kognitive Fertigkeiten entwickelt und das Kind erfährt emotionale und soziale Unterstützung. Aber auch im Erwachsenenalter bleibt Freundschaft im Wesentlichen gleich. In Freundschaften erleben wir ein Gegenüber, das an uns interessiert ist, uns in Krisen Halt geben kann, uns aber auch herausfordert und mitunter konfrontiert.

Freundschaft hält uns gesund

Die psychologische Forschung hat die Bedeutung von Freundschaften mehrfach untersucht. Studien zeigen, dass positive soziale Beziehungen Zufriedenheit hervorrufen und sogar die körperliche Gesundheit stärken. Weiter können Freunde in Stresssituationen eine wichtige Stütze sein. Das zeigte beispielsweise eine Studie, in der Probanden eine Präsentation vor Publikum halten und anschließend unangekündigt Kopfrechenaufgaben lösen sollten – für viele Stress pur! Danach wurde im Speichel der Personen die Konzentration des Stresshormons Cortisol gemessen. Bei Probanden, die ihren besten Freund bei sich hatten, konnte deutlich weniger Cortisol nachgewiesen werden als bei jenen, die die Aufgabe alleine bewältigen mussten. Diese Probanden berichteten zudem weniger von Angst oder innerer Unruhe. Freunde schützen also – körperlich messbar – vor Stress und negativer Emotion.

Sehnsucht nach Begegnung ist tief in uns verankert

Die aktuelle Zeit ist geprägt von Unruhe, Unsicherheiten und Isolation. Für viele Menschen bedeutet das Stress – in vielerlei Hinsicht. Was wir momentan zur Bewältigung brauchen, ist meiner Meinung nach der heilsame Austausch mit Freunden. In den vergangenen Monaten durfte ich neu spüren, dass ich als Mensch eben nicht dafür gemacht bin, allein in Isolation zu sein und alles mit mir selbst auszumachen. Ich bin geschaffen für die Begegnung mit einem Gegenüber.

Diese Sehnsucht nach Beziehung ist mir als Mensch von Gott direkt in mein Herz eingegeben. Die Sehnsucht nach Austausch und Begegnung, die sich in mir rührt, ist nicht ausschließlich durch meine Persönlichkeit bestimmt. Nein: In meinem Mensch-Sein, in meiner Identität als Abbild Gottes manifestiert sich dieses Bedürfnis und erweist sich als notwendig dafür, mein Leben bestreiten zu können. Ich sehe es als große Chance in der aktuellen Situation, diese Erkenntnis neu als wahr zu begreifen und damit auch einen neuen Blick auf die Bedeutung von Freundschaften zu bekommen. Manchmal hilft eine Zeit des Fastens, den Wert vermeintlicher Selbstverständlichkeiten neu zu entdecken.

Herausforderungen an Freundschaften in Corona-Zeiten

Die vergangenen Monate waren für Freundschaften herausfordernd. Viele Menschen, ob alt oder jung, fühlen sich einsam. Durch die verordnete Ruhe der Kontaktbeschränkungen sind sie vielleicht auch konfrontiert mit Regungen in ihrem Innersten, die schmerzhaft und anstrengend sind. Wie gut ist es da, mit Freunden darüber ins Gespräch zu kommen und echte „Herz-zu-Herz-Kommunikation“ zu pflegen – sei es bei einem Spaziergang oder bei einem Telefonat. Das schafft Erleichterung, Klärung und bewirkt ein Aufatmen. „Wie geht es dir wirklich? Was bewegt dein Herz? An welchem Punkt stehst du gerade?“ Solche Fragen zu stellen, kann eine Freundschaft in neue Tiefen und Weiten führen – auch über Telefon oder Videokonferenz.

Freundschaft hat seit jeher unterschiedliche Formen. Es gibt lebenslange Freundschaften, Freundschaften, die über Kontinente hinweg gepflegt werden, Freundschaften im Internet. Und nun gibt es eben die neue Form der Freundschaft in der Pandemie, die Offenheit für neue Kommunikationsformen erfordert. Wenn ich dabei die Beziehung zum Du weiter pflege, kann dadurch echte Begegnung stattfinden.

Als Mensch bin ich nach Gottes Abbild geschaffen. Gott hat mir die Sehnsucht nach Freundschaft ins Herz gelegt, weil er sich selbst nach Begegnung mit mir sehnt, ungeschönt und echt. Er ist interessiert an meinem Herz. Wenn ich mir in diesen Monaten täglich bewusst Zeit für meine Freundschaft mit Jesus nehme, mit ihm in Kontakt trete und mein Herz offenlege, öffnet mir das den Weg, ihn zu erkennen: Er ist das erste und letzte Du, auf das hin mein Ich geschaffen ist.