Thema · Wenn die Sakramente fehlen...
Der Kardinal, der im Verborgenen glaubte
von Johannes Steber · 29.04.2020
Sicher fragen sich viele in diesen eigenartigen Tagen, wie ein Leben im Glauben ohne die Feier der Sakramente möglich sein soll. Ja, wie können wir als Katholiken denn unseren Glauben leben, wenn wir ihn nicht in der gemeinsamen Feier der hl. Messe praktizieren dürfen? Das Glaubenszeugnis eines Kardinals unserer Kirche kann hier eine Hilfe sein: Don Ernesto Simoni.
Moment – ein Kardinal, der die Messe nicht praktizieren darf? Ja, richtig gelesen. Kardinal Simoni durfte mehr als 34 Jahre lang seinen Glauben nicht öffentlich leben. Er musste sich verstecken, wurde dennoch aufs Härteste bestraft und blieb trotzdem treu. Immer wieder berichtet er von seinen Erfahrungen in den Arbeitslagern. Ein Leben, das für uns heute nicht vorstellbar wäre. Aber beginnen wir von vorne:
Am 18. Oktober 1928 wird der kleine Ernesto Simoni in Troshan in Albanien geboren. Mit zehn Jahren geht er auf die Schule der Franziskaner in Troshan (das ist heute die Stadt Lezha). Es vergeht nicht viel Zeit, da tritt in den Orden ein. Als 1948, Ernesto ist gerade einmal 20 Jahre alt, die Sozialisten um Diktator Enver Hoxha das Kloster stürmen, und einige der Ordensleute getötet werden, wird Ernesto vertrieben und muss seine theologischen Studien im Untergrund fortsetzen.
Acht Jahre Arbeitslager für Don Ernesto – weil er die heilige Messe gefeiert hat
Religiöses Leben ist da schon nicht mehr erlaubt – die sozialistische Regierung verfolgte rigoros das Ziel, den gottlosesten Staat der Welt zu etablieren. Am 7. April 1956 empfängt Ernesto dann in Shkoder das Sakrament der Priesterweihe. Im Geheimen. Sieben Jahre später wird er zum Tode verurteilt und in ein Arbeitslager inhaftiert. Der Grund: Er hatte die heilige Messe gefeiert. Ein Besucher verriet ihn.
Doch Don Ernesto hielt auch im Gefängnis weiterhin an seinem Glauben fest – versuchte ihn weiter zu leben. Soweit es möglich war, feierte er im Verborgenen die heilige Messe. Den Wein dazu stellte er aus ein paar Trauben her, die er immer einmal wieder erhaschen konnte und selbst auspresste. Geschlafen wurde im Wechsel mit anderen, damit die kärglichen Betten nicht kalt wurden, weil sie nur mit einer einfachen Decke ausgestattet waren.
Auch nach seiner Entlassung darf Don Ernesto sein Priestertum nicht leben
Erst im Jahr 1981, also nach 18 Jahren, wird Don Ernesto aus dem Gefängnis entlassen. An ein Feiern der heiligen Messe in der Öffentlichkeit ist jedoch weiterhin nicht zu denken.Sei Priestertum darf er jedoch weiterhin nicht ausüben und muss als Kanalarbeiter arbeiten.
Erst als mit dem Sturz der Regierung um Enver Hoxha im Jahr 1990 die Religionsfreiheit wieder eingeführt werden sollte, konnte er wieder in der Öffentlichkeit sein Priestertum leben und den Menschen das Evangelium verkünden. So war es ihm ab 1995 auch möglich, die Missionsarbeit zweier deutscher Ordensschwestern in Fushe-Arrez unterstützen. Die Missionsstation gibt es noch heute.
Von Papst Franziskus zum Kardinal erhoben
Don Ernesto wurde mittlerweile von Papst Franziskus im Jahre 2016 zum Kardinal erhoben. Ein ursprünglich im Geheimen geweihter Priester, der weite Teile seines Lebens im Untergrund verbringen musste und seinen Glauben nur im Verborgenen leben konnte, wird also von der höchsten kirchlichen Autorität am Ende seines Lebens in das Kardinalrot der Märtyrer gekleidet. Jene, die ihr Leben ganz und gar für den Glauben gegeben haben.
Trotz all der Ehren, die ihm nun zuteil geworden sind, lässt er sich aber ungern im Kardinalsrot sehen – die rote Soutane legt er meist nach den Gottesdiensten gleich wieder ab. Möchte er doch der einfache Priester aus Albanien sein.
Mein persönliches Erlebnis: Der Kardinal und der „Glitzer-Rosenkranz“
Vielleicht noch eine kleine, aber sympathische Begegnung: etwa im Jahr 2006 war Don Ernesto zu Besuch im Heimatort einer der beiden Ordensfrauen, die in Fushe-Arrez von ihm unterstützt worden sind. Ich durfte ihn dabei begleiten, meine Eltern ihn beherbergen. Ein sehr einfacher, froher aber auch klarer und bestimmter Mann war da zu Gast.
Sein wichtigstes Anliegen aber war, während seines Aufenthaltes in Deutschland einen „Glitzer-Rosenkranz“ zu finden, da er davon überzeugt war, dass es in Deutschland so etwas geben müsse. Nach Durchforschen zahlreicher Geschäfte in jener Stadt sind wir endlich in einem kleinen Ramschladen fündig geworden. Don Ernesto war glücklich. Und irgendwie ist er damit in Erinnerung geblieben. Jener Kardinal, der über weite Strecken seines Lebens ein öffentliches Glaubensleben gar nicht mehr kannte.