Thema · Credo Talk im Pfarrhaus in Vöhringen

Das Evangelium ist kein Privatbesitz

Seit einigen Jahren sind Pfarrer Martin Straub, pastorale Mitarbeiterin Bettina Hauguth und Kaplan Roland Kiechle mit ihrer Pfarreiengemeinschaft Vöhringen auf dem Weg einer neuen Evangelisierung. Dabei spielen Glaubenskurse, darunter Alpha, eine zentrale Rolle. Welche Erfolge, welche Schwierigkeiten sind ihnen auf diesem Weg begegnet? Mehr darüber im Credo-Talk.

von Raphael Schadt · 12.04.2025

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Credo Talk mit Pfarrer Martin Straub, Pastorale Mitarbeiterin Bettina Hauguth und Kaplan Roland Kiechle.

Credo: Wie stellt ihr euch eine ideale Kirche vor?

Pfr. Straub: Als Pfarrer stelle ich mir die Frage: Kann man in unserer Gemeinde den Glauben kennenlernen? Nahrung finden für die Sehnsucht, mit Gott in Berührung zu kommen? Kann man mit dieser Sehnsucht in der Kirche beheimatet sein?

Credo: Was bedeutet in diesem Zusammenhang Evangelisierung?

Pfr. Straub: Für mich drückt Evangelisierung einen Kulturwandel aus. Von der Selbstbezogenheit weg, hin zum Blick nach außen: Auf Menschen, die Gott erreichen möchte. Wir können im Glauben viel erfahren, wenn wir den Glauben weitergeben. Jesus sendet uns. Das müssen wir heute aber neu entdecken. Anschließend ist die Frage, wie wir das in eine neue, ansprechende Form bringen, die in der Gemeinde Menschen motiviert, mitzugehen. Alpha war hier ein Aha-Erlebnis. Denn ich ringe schon mit der Frage: Wie können wir die Sendung der Kirche heute leben.

Bettina Hauguth: Nachdem wir 2018 auf Studienfahrt in Halifax bei „Divine Renovation“ waren, haben wir die Begeisterung für Alpha mitgebracht. Wir erzählten, was wir dort alles erlebt hatten und dass wir das gerne bei uns anbieten würden. Und im Jahr darauf, 2019, haben wir hier den ersten Alpha-Kurs angeboten.

Credo: Welche Rolle spielt der Alpha-Kurs in eurer Pfarrei für die Evangelisierung?

Roland Kiechle: Alpha-Kurse sind ein wichtiges Mittel, um Menschen zu erreichen. Ich glaube grundsätzlich bedeutet Evangelisierung: Nicht einfach wie gewohnt weiterzumachen. Evangelisierung kostet Überwindung und Ressourcen. Aber nur so kann sich etwas verändern.

Pfr. Straub: Alpha ist für die Gemeinde selber eine neue Kultur. Stichwort Willkommenskultur: Dass man beginnt, mit allen Gremien zu bedenken, was bedeutet das in den ganz konkreten Dingen: Ehrenamtliche zu beauftragen, Gottesdienstbesucher zu begrüßen und sie freundlich Willkommen zu heißen. Zu vermitteln: Ja, wir freuen uns, dass du da bist. Bei Gesprächen da zu sein und hinzuhören. Es gilt einen Perspektivwechsel zu realisieren, dass es auf jeden von uns ankommt und unsere innere Haltung.

Wir versuchen, gute Inhalte zu predigen und sie in unterschiedlichen Formaten anzubieten – mit dem Alpha-Kurs als einem Baustein. Ein wichtiger Punkt ist eine gute Gottesdienstgestaltung. Und schließlich, Räume für das persönliche Gebet anzubieten, Stichwort Anbetungskapelle. Es sind viele, viele Kleinigkeiten.

Hauguth: Wir Katholiken sind es ja meist nicht gewohnt, über unseren Glauben zu sprechen oder Menschen zu einem Gottesdienst o.Ä. einzuladen. Aber das Evangelium ist nicht unser Privatbesitz. Alpha befähigt und ermutigt, Nachbarn und Bekannte einzuladen und zu sagen, Schau dir das mal an! Alpha hat tolles, ansprechendes Material. Es führt uns ein in die Evangelisierung: Menschen willkommen zu heißen und zu fragen, was denkst du? – Verkündigung im Dialog mit dem Vertrauen, dass letztlich Gott den Menschen erreicht und nicht ich.

Kiechle: Die Stärke von Alpha ist, dass Fragen gestellt werden und gestellt werden dürfen. Wir als Kirche kennen den Vorwurf, Antworten auf Fragen zu geben, die nicht gestellt wurden. Bei Alpha habe ich erlebet, dass Leute über alle Möglichen Themen ins Gespräch kommen können und mit der Zeit feststellen: Die Kirche hat mir ja wirklich etwas zu sagen. Ich kann von dem, was die Kirche mir anbietet, profitieren.

Credo: Wer Neues beginnt, muss anderes aufhören. Musstet ihr etwas aufgeben?

Pfr. Straub: Ja. Wenn ich jetzt weniger präsent bin bei Geburtstagsbesuchen, Weihnachtsfeiern oder Seniorennachmittagen, wird mir schon rückgemeldet, dass ich mich im Defizit bewege. Den Vorwurf, dass der Pfarrer sich mehr um jene kümmert, die nicht da sind, wo er doch für die zuständig wäre, die zur Gemeinde gehören, muss man aushalten und erklären, wofür man die Zeit einsetzt. Da und dort trifft man auch auf Verständnis …

Credo: Gab es Erfolgserlebnisse oder Momente, an denen die Saat aufgegangen ist?

Pfr. Straub: Die schönste Frucht ist das Team, das sich um die Glaubenskurse kümmern und, dass eine geistliche Dynamik entstanden ist mit einer gewissen Selbstständigkeit. Ich muss als Pfarrer nicht in allem dabei sein. Ich kann das Team viel machen lassen, da ist eine große Vertrauensbasis. Für mich ist auch erstaunlich zu sehen, wie diejenigen wachsen, die sich für Evangelisierung engagieren: Die, die sich auf den Weg machen, gewinnen viel für sich selber. Es ist nicht nur ein Geben, sondern auch ein Empfangen für die, die Mission, Evangelisierung oder einfach Willkommenskultur oder ihre Charismen einbringen.

Credo: Herzlichen Dank!