Credo Dienst · Ehrenamtlicher Fahrservice
Soziales Carsharing „gemeinsamobil“
von Jonathan Huber · 09.06.2021
Credo: Herr Reinsch, wie funktioniert das soziale Carsharing „gemeinsamobil“?
Matthias Reinsch: Wir geben mobilitätseingeschränkten Menschen, die selbst nicht Auto fahren können, die Möglichkeit, einen Carsharing-Dienst zu nutzen. Dazu arbeiten wir mit dem Verein „Königsbrunner Auto-Teiler“ zusammen. Dort werden unsere Mitfahrer Mitglied und leihen ein Auto aus, als würden sie selbst fahren. Wir vermitteln ihnen dann einen ehrenamtlichen Fahrer. Unsere Mitglieder müssen somit nur die Kosten für das Carsharing tragen.
Die Fahrtwünsche werden an uns herangetragen und wir geben sie an die Ehrenamtlichen weiter. Die Fahrer können dann entscheiden, welche Fahrten sie machen möchten. Mittlerweile haben wir auch schon einige feste Paarungen aus Fahrer und Mitfahrer.
Anfangs haben hauptsächlich Senioren das Angebot genutzt, im Laufe der Jahre haben wir dann aber auch immer mehr andere mobilitätseingeschränkte Menschen aufnehmen können – bis hin zu stark sehbehinderten und blinden Personen oder Menschen im Rollstuhl.
„Unsere Mitglieder könnten einfach viele Dinge nicht machen, weil die Mobilität dafür fehlt.“
Credo: Wie kämen diese Menschen von A nach B, wenn es „gemeinsamobil“ nicht gäbe?
Reinsch: Die erste Alternative ist das Taxi, was aber nicht für alle Menschen und Erfordernisse bezahlbar oder durchführbar ist. Insbesondere bei sehr kurzen Strecken unter einem Kilometer stimmt für Taxifahrer das Verhältnis von Aufwand und Entgelt oft nicht. Dann gibt es natürlich die Möglichkeit, sich von Freunden oder Verwandten fahren zu lassen. Aber tatsächlich könnten unsere Mitglieder einfach viele Dinge gar nicht machen, weil die Mobilität dafür fehlt.
Credo: Wie wird der Fahrservice angenommen?
Reinsch: Insgesamt gab es knapp 6.000 Fahrten seit Bestehen des Projekts. Wir haben üblicherweise zwischen 60 und 100 Mitfahrer, die als Mitglieder berechtigt sind, gefahren zu werden. Manche nehmen das Angebot dreimal pro Woche wahr, andere nur einmal in zwei Jahren – finden aber die Idee gut und unterstützen uns mit ihrer Mitgliedschaft.
Bei den Fahrern haben wir einen Pool von ungefähr zehn Ehrenamtlichen. Da gibt es natürlich immer eine gewisse Fluktuation und wir würden uns freuen, wenn wir das noch ausbauen könnten. Der Zeitaufwand ist ganz unterschiedlich: Manche fahren nur einmal im Monat oder zweimal im Jahr, andere machen teilweise täglich Fahrten für uns. Das hängt immer davon ab, wie viel Zeit man mitbringt.
Credo: Sie haben von festen „Paarungen“ zwischen Fahrern und Mitfahrern gesprochen. Sind aus dem Projekt schon persönliche Beziehungen oder Freundschaften hervorgegangen?
Reinsch: Mir fällt spontan ein Beispiel ein: Ein Fahrer von uns, der auch selbst schon etwas älter ist, fährt regelmäßig eine ältere Dame. Die beiden treffen sich auch sonst hin und wieder, trinken gemeinsam Kaffee oder gratulieren sich zum Geburtstag. Wenn er mal länger nichts von ihr hört, dann ruft er auch mal an oder klingelt, um sich zu vergewissern, dass ihr nichts passiert ist.
In einem anderen Fall ist ein Fahrer seinem hochbetagten Mitfahrer in den letzten Wochen seines Lebens beigestanden und hat nach dessen Tod die hinterbliebene Lebenspartnerin unterstützt. Es ist also schon eine intensive Verantwortung, die da gespürt wird. Auch in die andere Richtung: Eine Mitfahrerin, die noch etwas jünger ist, hat für ihren älteren Fahrer die Online-Anmeldung beim Corona-Impfzentrum übernommen. Es ist also ein bisschen vergleichbar mit einer guten Nachbarschaft.
Credo: „Gemeinsamobil“ läuft in Zusammenarbeit mit der evangelischen Gemeinde St. Thomas. Worin besteht die christliche Motivation des Projektes?
Reinsch: Grundsätzlich ist die Motivation hinter dem Projekt christlich-diakonisch. Zu der Zeit, als „gemeinsamobil“ entstanden ist, saß ich im Kirchenvorstand der St.-Thomas-Gemeinde. Da wir die Vorgabe hatten, Carsharing und Ehrenamt strikt zu trennen, habe ich das Projekt dort vorgestellt. In der Gemeinde kam es als diakonisches Projekt dann auch sehr gut an.
Credo: Was sollte ich mitbringen, wenn ich mich als ehrenamtlicher Fahrer engagieren will?
Reinsch: Auf jeden Fall einen Führerschein und die Freude, mit Menschen umzugehen. Ansonsten haben wir keine festen Regularien oder Vorgaben für unsere Fahrer. Mir ist wichtig, dass das Angebot ganz niederschwellig ist. Wer Interesse hat, kann sich gerne bei mir melden. Dann machen wir einen Termin aus, fahren gemeinsam eine Runde und ich verschaffe mir einen Eindruck über die Fahrsicherheit.
„Egal ob einmal im Jahr oder siebenmal pro Woche:
Jede Fahrt hilft!“
Wir haben momentan Stellplätze im Raum Augsburg und München. Da macht es natürlich Sinn, wenn man in der Nähe lebt, weil man muss ja irgendwie zu den Autos kommen. Aber auch, wenn jemand beispielsweise in einer anderen Stadt studiert, gelegentlich seine Eltern in Augsburg besucht und Lust hat, in dieser Zeit ein paar Fahrten zu machen, können wir das ganz individuell anpassen.
Man muss auch wie gesagt nicht viel Zeit mitbringen, da gibt es ganz unterschiedliche Modelle. Egal ob einmal im Jahr oder siebenmal pro Woche: Jede Fahrt hilft!
Credo: Vielen Dank für das Interview!
Haben wir dein Interesse geweckt? Wer sich als Fahrer bei „gemeinsamobil“ engagieren möchte, findet die Kontaktdaten von Matthias Reinsch auf gemo-carsharing.de. Dort gibt es auch weitere Informationen zum Projekt.