Thema · Glaube und Vernunft
Ist es vernünftig, an Gott zu glauben?
von Dr. Andreas Jall · 19.02.2020
Jahrhunderte war es in den christlich geprägten Ländern völlig klar und wurde überhaupt nicht in Frage gestellt: Gott gibt es – ja im Gegenteil: Es ist völlig unvernünftig, ihn zu verleugnen! Das gilt nicht nur für die Christen: Schon früher hat fast die gesamte antike Philosophie den Gottesglauben als absolut vernünftig angenommen. Der Philosoph Aristoteles führt es an einem einfachen Beispiel aus:
Da alles im Universum sich bewegt, sich aber nur etwas bewegt, wenn es von einem anderen her seinen Antrieb bekommt, muss es einen „ersten Beweger“ geben.
Etwas holzschnittartig ausgedrückt: Von nichts kommt nur auch wieder ein Nichts. Später war es dann der große Theologe des Mittelalters, Thomas von Aquin, der diese sogenannten Gottesbeweise in seinen „Quinque viae ad Deum“ – „Fünf Wege zu Gott“ zusammenfasst. Teilt man den Ausgangspunkt ist es von den Gesetzen der Logik her bis heute sehr vernünftig, von einem höchsten Wesen auszugehen.
Mit dem Aufschwung der Naturwissenschaften aber tritt eine „Verengung“ des Blickwinkels des Menschen ein: Was zählt ist das, was ich anfassen, wiegen und – im wahrsten Sinne des Wortes – be-greifen kann: Was der Mensch besitzt und sich nutzbar machen kann ist wirklich wertvoll und zählt zum wirklichen Wissen. Der Erfolg dieser Wissenschaften gibt der Verengung, das heißt der Ausgrenzung des Transzendenten (allem was das sinnlich Wahr- und Begreifbare übersteigt), und so auch des Gottesglaubens aus dem alltäglichen Leben scheinbar Recht. Damit einhergehend kommt natürlich die Frage: Brauche ich noch Gott? Oder aber können wir Menschen uns den „Himmel auf Erden“ kraft unseres eigenen Könnens erschaffen? Nicht nur die Erfahrungen mit den atheistischen Systemen – Nationalsozialismus, Kommunismus und viele andere -ismen – hinterfragen diese Haltung.
Es ist auch heute durchaus vernünftig, von einem höchsten Wesen auszugehen.
Dennoch gilt: Gott kann (wie jede Person) nicht begriffen oder bewiesen werden, wenn er denn wirklich Gott ist. Sonst wäre er ja nicht wirklich Gott, sondern nur etwas Weltliches. Die „Gottesbeweise“ sind also keine Beweise im naturwissenschaftlichen Sinne, sondern Darlegungen, die ihren Ausgang vom Glauben nehmen. Das Christentum hat für sich schon immer in Anspruch genommen, vernünftig zu sein. Keine echte wissenschaftliche Erkenntnis kann dem Glauben widersprechen, wenn Gott wirklich Gott der Schöpfer der Welt ist. Aber der Beweis wird immer fehlen, positiv gesprochen: Die Freiheit des Menschen, zu glauben, bleibt erhalten.
Ist das so ungewöhnlich? Anders gefragt: Kann ich denn mit einer verengten, begreifen (das heißt Herr über alles sein) wollenden Haltung vernünftig leben? Nein.
Nur Totes kann wirklich be-griffen werden, das heißt seziert, gewogen, verwertet usw. Schon einen lebenden Schmetterling und schon gar nicht einen Mitmenschen kann ich begreifen. Obwohl es auch philosophisch vernünftig ist, von einem höchsten Wesen auszugehen, ist damit noch nichts gesagt, wie dieser Gott zur Welt steht. Gott bliebe somit eine Idee.
Menschen brauchen für ein Wissen von sich Begegnung.
Alles, was Christen von Gott wissen, wie er zur Welt und den Menschen steht, kommt aus der Begegnung mit ihm, so wie er sich der Welt offenbart hat. Die alles entscheidende Offenbarung, ja, die Offenbarung an sich, ist Jesus Christus.
Die Kirche sammelte ihre Gotteserfahrungen in der Heiligen Schrift, der Bibel. Wenn Menschen Gott heute begegnen, haben sie in Kirche, ihrer Tradition und der Heiligen Schrift Vergleichspunkte. Die Quintessenz lautet aus christlichem Sinne: Gott ist die Liebe, wie es der Evangelist Johannes ausgedrückt hat (1 Joh 4,16). Damit lässt sich getrost und gut leben.