Was haben Zacharias, Maria, Josef und die Hirten auf dem Feld gemeinsam? Alle haben auf irgendeine Weise etwas mit Jesus am Hut. Aber es gibt noch (mindestens) eine weitere Gemeinsamkeit, die rund um Jesu Geburtsberichte in den Evangelien auffällig ist: Sie bekommen alle Besuch von einem Engel, der ihnen eine unfassbare Nachricht überbringt. Und um den Fake-News-Verdacht gleich mal zu widerlegen, argumentieren sie mit ihrem Auftraggeber, nämlich Gott selbst. Bei jedem einzelnen der Engelsbesuche steht ein entscheidender Satz im Zentrum: Das berühmte „Fürchte dich nicht!“ Jede dieser Verheißungen dreht sich in irgendeiner Weise um eine Geburt. Dass die Reaktionen unserer Adressaten erstmal sehr unterschiedlich ausfallen, dürfte aufgrund der Lebensumstände der jeweiligen Personen keine Überraschung sein.
Zacharias und das späte Elternglück
Der erste, dem im Lukasevangelium plötzlich ein Engel gegenübersteht, ist Zacharias. In dessen Verheißung geht es um die anstehende Geburt seines Sohnes Johannes (der Täufer), der bekanntlich schon im Mutterleib eine ganz besondere Verbindung zu Jesus hatte. Das Problem an der Sache: Zacharias wie auch seine Frau Elisabet sind beide nicht mehr die Jüngsten. Mit dem Thema Familienplanung eigentlich schon abgeschlossen, steht da auf einmal dieser Engel vor ihm. Allein diese Begegnung ist für den alten Mann schon extrem erschreckend und furchteinflößend. Und dann überbringt der Engel auch noch diese lebensverändernde Nachricht:
„Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Johannes geben.“ (Lk 1, 13)
Unglaubliche Worte für Zacharias. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er glaubt dem Engel nicht, was dazu führt, dass er bis zum Eintreffen der Verheißung (neun Monate später) verstummt. Erst als Johannes tatsächlich geboren ist und das betagte Ehepaar ihrem Sohn den aufgetragenen Namen gibt, wird Zacharias nicht nur wieder sprachfähig, sondern auch vom Heiligen Geist erfüllt. Und seine Ängste und das Misstrauen münden in übergroße Freude Lobpreis. Er hat nicht nur einen Sohn bekommen, sondern sein Sohn wird derjenige sein, der die Menschen auf Jesu Wirken vorbereiten soll. So hat’s der Engel gesagt – und Zacharias hat nun allen Grund und keine Angst mehr, dem zu vertrauen.
Maria hat keine Angst, ihr „Ja“ zu geben
In einer dazu völlig konträren Lebenssituation befindet sich Maria, als der Engel des Herrn ihr erscheint. Eine junge Frau, gerade frisch mit Josef verlobt soll, plötzlich wie aus dem nichts schwanger sein? Aber alles der Reihe nach. Auch Maria wird in einem Moment völliger Ahnungslosigkeit von einem Engel überrascht und äußerst ungewöhnlich angesprochen. „Sei gegrüßt du Begnadete, der Herr ist mit dir!“ (Lk 1,28) Dass Maria über diese seltsame Anrede erschrickt, ist nachzuvollziehen. Als sie über diese eigenartigen Worte nachdenkt, hilft ihr der Engel mit seinem berühmten „Fürchte dich nicht Maria!“ auf die Sprünge. Auch hier wird die (nicht weniger seltsame) Begründung gleich mitgeliefert.
„Denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären.“
Dann der Auftrag: „Dem sollst du den Namen Jesus geben.“ Was für eine überwältigende und zugleich verwirrende Botschaft für die junge Frau. Zaghaft fragt sie nach, wie das für sie als Jungfrau möglich sein soll. Seine Antwort „Für Gott ist nichts unmöglich“ untermauert der Engel mit der ebenfalls unglaublichen Geschichte von Zacharias und Marias Verwandter Elisabet. Für Maria reicht dies als Zeugnis aus, um Gott ihr Ja zu geben. Das Ja zu Jesus, zur Geburt des personifizierten „Fürchte dich nicht!“
Furchtlos und gottefürchtig
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Denn da gibt es ja auch noch Marias Verlobten, Josef. Ein anständiger Kerl, der darüber nachdenkt, sich ohne viel Aufsehen von Maria zu trennen, um sie wegen ihrer unehelichen Schwangerschaft nicht bloßzustellen. Doch Gott hat anderes vor, wie wir im Matthäusevangelium nachlesen können: Auch zu Josef schickt er einen Engel, der ihm im Traum erscheint. „Josef, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen“, sagt er zu ihm. Den Grund dafür nennt er ihm auch sofort: „Denn das Kind, das sie erwartet ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1, 20). Ganz ohne Furcht und gleichzeitig überaus gottesfürchtig vertraut Josef den Worten des Engels und nimmt Maria zu seiner Frau. Einige Monate und eine beschwerliche Reise zu einem ärmlichen Stall später ist es endlich soweit. Das Kind wird geboren und in eine Krippe gelegt. Und wie der Engel es Josef im Traum aufgetragen hat, gibt er dem Neugeborenen den Namen Jesus. Was für eine Geschichte.
Das „Fürchte dich nicht!“ wird für uns Mensch
Die endet allerdings nicht in dieser Happy-Family Idylle, sondern zieht noch viel weitere und größere Kreise. Und wieder hat ein Engel die Finger im Spiel. Von Gott zu einer Gruppe Hirten geschickt, die in der Nähe des Stalls mit ihren Schafen kampieren, jagt er den gestandenen Mannsbildern einen riesigen Schrecken ein. Und der Engel so:
„Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude.“ (Lk 2,10)
Auch an die Hirten ergeht ein Auftrag. Sie sollen sich auf die Suche nach einem Kind machen, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt. Dabei soll es sich um den schon lange erwarteten Retter, den Messias handeln. Haben die Hirten zu viel getrunken oder passiert das gerade wirklich? Um das Ganze noch überzeugender rüberzubringen, bekommt der Engel Verstärkung. Schließlich soll schnell das ganze Volk von dem wundervollen Ereignis erfahren. Plötzlich ist da nicht nur ein Engel, sondern eine ganze Schar davon, die alle in Lobpreis ausbrechen. Und die Hirten: Die sind so überwältigt von dem Spektakel, das sie soeben erlebt haben, dass sie auf schnellstem Wege zum Kind in der Krippe eilen.
Liebe statt Furcht
Dort angekommen, fallen sie sofort auf die Knie. Vor Ehrfurcht. Alle Angst ist mit dem Anblick dieses kleinen, zarten Babys verflogen. Was oder besser wen die Hirten dort auffinden, ist die pure Liebe. Es gibt wohl kaum ein Wesen, von dem weniger Gefahr ausgeht, als von einem Neugeborenen. Und genau deshalb hat sich Gott als solches offenbart. Die Summe aller „Fürchtet euch nicht!“ und „Habt keine Angst!“ wie sie in der Geschichte Israels so oft zugesprochen wurden, gipfelt in der Geburt Jesu Christi, der Menschwerdung Gottes. Durch Jesus kommt Gott selbst in eine Welt hinein, die so oft von ihm verlassen zu sein scheint. Damit vollzieht Gott den Beginn einer neuen Geschichte mit den Menschen, vor der wir keine Angst zu haben brauchen. Durch den Auftrag des Engels an die Hirten sind wir alle einbezogen in das „Fürchte dich nicht!“, das mit der Geburt Jesu ein Gesicht bekommt und real wird. Grund genug, uns Zacharias, Maria, Josef und den Engeln auf dem Hirtenfeld anzuschließen und Gott aus vollem Herzen zu loben. Voller Vertrauen und ganz ohne Furcht. Erst recht heute an Weihnachten.